Highlight / Kritik / Musiktheater

Empathische Verfolgung

„Sampled Identity“, Kampnagel
Sampled Identity

„Sampled Identity“ – nichts ist einfach nur einfach

Wer wir sind? Wie wir werden? Und ob wir so bleiben? Fragen implizieren Veränderung. Das Projekt „Sampled Identity“ von Ensemble Resonanz und HipHop Academy Hamburg gab bei der Premiere am Freitagabend auf Kampnagel glücklicherweise nicht einfach Antworten auf die Fragen nach der eigenen Identität, sondern experimentierte beharrlich. Das begeisterte Publikum bekam eine eineinhalbstündige Performance zu sehen, die einer Versuchsanordnung glich und in der Musik das sein durfte, was sie auch ist: Bewegung.

HipHop trifft Klassik – so abwegig wie gern behauptet ist das nicht. Breakdance, Graffity oder Beatboxing stehen längst nicht mehr für Subkultur, und von der klassischen Musik lässt sich nur schwer behaupten, sie hätte den Hinterausgang aus dunkelmuffigen Konzertsälen noch nicht geschafft. „Genau wie wir“, sagt der Geiger David-Maria Gramse vom Ensemble Resonanz und betont damit das Gemeinsame, „sind die Tänzer Leute, die seit Jahren sehr diszipliniert üben.“ Fast ein halbes Jahr lang hatten die beiden Ensembles – auch dank vielfältiger Kulturförderung – die Möglichkeit, ihre Übungsräume zusammenzulegen. Eine Annäherung.

Die Suche nach der Identität gerät zum Austausch und lässt ahnen, dass es sich um einen sozialen Prozess handelt, um künstlerische Vorgänge auch, an denen nicht einer allein, sondern immer (wenn nicht viele so doch:) einige beteiligt sind. Acht Streicher und fünf Tänzer treffen aufeinander. Dazu ein Beatboxer, der seine eigene Soundmaschine ist, Graffity als Legetrick am Overheadprojektor, ein DJ am Plattenspieler, zwei Rapper.

Die Tänzer tanzen Streichmusik. Unter anderem Johann Sebastian Bach’s Kompositionen, die so auf wundersame Weise körperlich erlebte Musik werden, während der Tanz zudem eine seltene Transparenz herstellt. Die klassischen Musikerinnen und Musiker öffnen sich in den Raum, fangen an zu improvisieren. Musik wird Körper, Körper wird Musik. Dazwischen entstehen überraschende Verbindungen, die nicht auf Versöhnung ausgerichtet sind, eher auf Respekt, als ginge es um ein gemeinsames Ziel. Am Ende werden Klang und Bewegung eins, weil die, die Klang und Bewegung erzeugen, einander empathisch folgen – und so fast doch eine Antwort auf die Frage nach der Identität geben: als einem notwendigem Miteinander.

Dort, wo sich dieses Miteinander allerdings als Gegeneinander in der Art eines Rapper-Battles gebärdet, wird das Experiment zur Erzählung und lenkt eher ab. „Sampled Identity“ in der Regie von Volker Schmidt wäre sehr gut ohne narrative Klammer ausgekommen. Wenngleich einzelne erzählerische Elemente innerhalb der Gesamtstruktur Sinn machten und in diesen Lebensläufen so schöne Einsichten enthalten waren wie die der am Anfang ihrer Schwangerschaft fälschlicherweise mit Medikamenten behandelten Mutter: „Alles, was in deinem Leben schief geht“, sagte sie später ihrer Tochter, die Cellistin wurde, „ist eine Nebenwirkung der Antibiotika.“

„Sampled Identity“ ist noch einmal im Juni bei den Kunstfestspielen in Hannover Herrenhausen zu sehen.

Text: Stephanie Schiller
Foto: Jan-Rasmus Lippels

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*