Die Angstallianz zwischen Regisseur und Schauspieler soll genauer untersucht werden. Doch gegen ein eindeutiges Machtgefüge sprechen die detaillierten Untersuchungsergebnisse des Autors Lutz Hübner innerhalb des Mikrokosmos Theater.
In 16 verschiedene Rollen und Kostüme springen die beiden Darsteller Ester Barth und Markus Sellmann in raschem Wechsel auf offener Bühne des Monsun Theaters. Immer geht es um die Kästchenszene in Goethes Faust, also um die Seiten 89 und folgende. Die Zirkusmusik zwischen den einzelnen Szenen macht den Ansatz deutlich: Es geht um die Show von Künstleregozentriker. Verschiedene Typen hat Hübner ausgemacht: Den „Freudianer“ unter den Regisseuren interessiert nur das Sexleben seiner möglichst jungen Hauptdarstellerin. Im seinem Schatzkästchen befinden sich logischerweise Dominazubehörteile für eine Nacktorgie unter der Dusche. Der „alte Haudegen“ dagegen findet die Schatzkammer seiner Anekdoten aus der guten alten Zeit viel interessanter als die Probenarbeit mit seiner Darstellerin. Die aufgetakelte bajuwarische „Diva“ trifft auf einen unerfahrenen Regisseur, an dem sie ihre Arroganz ungefiltert auslassen kann. Der „Streicher“-Regisseur reduziert in seinem Kürzungswahn die Gretchenszene auf 4 Halbsätze. Der dauerhustende „Schmerzensmann“ will einzig die fleischlichen, existenziellen Extremgrenzen seiner Schauspieler ausloten. Das „Tourneepferd“ entpuppt sich als wienerisch radebrechender Möchtegerncharmeur mit weißem Seidenschal. Der schüchterne „Hospitant“ entzückt mit Hochwasserhosen und dümmlichen Dauergrinsen. Die 40plus-„Dramaturgin“ will sich endlich mit einem eigenen Off-Theater-Projekt selbst verwirklichen und das Gretchen von ihrem Frauenopferstatus befreien.
Regisseur Sven Menningmann entscheidet sich dafür, die Abgründe in der Künstlerpsyche nur dezent anzudeuten, ohne jedoch je das Lachmuskeltraining zu vernachlässigen. Die gut beobachtete und gekonnt überspitzte Farce Hübners eignet sich demnach auch zur Verwertung als genüsslich demontierende Posse, wie das freie Ensemble EAT.PLAY.LOVE in seiner Aufführung im Monsun Theater beweist. Dabei wird ohne Scham in die Tiefen der Klischeekiste gegriffen. So erlebt das Publikum einen unterhaltsamen Abend, der nie in Gefahr gerät, allzu tiefschürfend zu werden. Der feine Unterschied zwischen Farce und Posse blieb so leider unberücksichtigt.
Text: Birgit Schmalmack
Foto: EAT.PLAY.LOVE