Verantwortung für Leben und Tod

Ein Schauspielerpaar (Silke Roca und Peter G. Dirmeier) streitet ums Kinderkriegen und um die Übernahme von Verantwortung.

Ein junger Mann, eingewandert aus der arabisch-islamischen Welt, blickt entschlossen geradeaus. Eine Frau aus dem hiesigen Kulturkreis reizt es, ihn aus der Reserve zu locken. Sie versucht alles, um sich ihm anzunähern. So beginnt Tilla Lingenbergs Stück „Namenlos“, das Silke Roca und Peter G. Dirmeier als szenische Lesung im Echtzeit-Studio zeigten. Es ist ein Spiel im Spiel, wie sich bald herausstellt. Schauspieler, die die beiden Figuren der Anfangsszene darstellen, sind die Protagonisten des Stückes: ein Paar, das seine eigenen Inszenierungen unter finanziellen Mühen herausbringt und so ein erfülltes Leben führt. So scheint es. Doch Sie will mehr: ein Kind von ihm. Und damit ihren Partner in die Verantwortung für sich und den Nachwuchs nehmen. Diesem Plan verweigert sich der Angesprochene aber vehement. Nach dem Motto: Ist doch alles sehr schön so. Wieso Kind? Die Freiheit ist mir wichtig. Und geht zur Textarbeit über. Doch Sie lässt nicht locker, droht mit dem Verlassen des Partners, der mit ihrer Hilfe vor Jahren ein Alkoholproblem in den Griff bekommen hat. Die Situation eskaliert, ebenso wie im Stück, das die beiden probieren. Denn der junge Muslim entpuppt sich als gewaltbereiter Islamist, der sich ebenfalls entschieden hat: für den Tod möglichst vieler Nicht-Muslime.

Das doppelte Spiel um Verantwortung gelang in der überzeugenden Darstellung von Silke Roca und Peter G. Dirmeier. Insbesondere Dirmeier konnte als wortreich-weinerlicher Künstler ohne Verantwortungsgefühl Akzente setzen. Die Inszenierung gelang auch, weil beide mehr spielen als lesen. Dass da Bücher auf dem Tisch lagen, in die die beiden kurz hineinschauten, fiel kaum auf. Autorin Tilla Lingenberg, die der gelesenen Uraufführung ihres Stückes beiwohnte, durfte sich schon fast über eine richtige Erstaufführung freuen. Für den Herbst ist eine zweite Vorstellung geplant.

Text: Christian Hanke
Fotos: Lea Fischer