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Bühnen-Highlight um taubstummes Kind

„Licht im Dunkel“, Ernst Deutsch Theater
Licht im Dunkeln

Kampf um Menschwerdung: Helen (Laia Sanmartin, re.) und ihre Lehrerin Annie Sullivan (Birge Schade)

Sie hat es gut zu Hause in Alabama. Sie wird gehegt und gepflegt. Ihre wohlhabenden Eltern lesen ihrem behinderten Kind alle Wünsche von den Lippen ab. So wuchs die blinde und taubstumme Schriftstellerin Helen Keller (1880-1964) auf – und verkam zum verzogenen Gör, das seine Familie terrorisierte. Bis Annie Sullivan kam, die als ihre Lehrerin angestellt wurde, weil die liebe Familie mit der Taubstummen nicht mehr fertig wurde.

Von dem harten Kampf des Kindes Helen Keller mit ihrer hartnäckigen und zielstrebigen Lehrerin handelt William Gibsons Drama „Licht im Dunkel“, das jetzt im Ernst-Deutsch-Theater Premiere hatte. Und das übrigens nur, weil eine ursprünglich vorgesehene Inszenierung verschoben werden musste. Ein Glücksfall, denn das Stück um die Menschwerdung von Helen Keller ist ein richtiges Highlight, das Volker Hesse klar und gradlinig mit einem guten Ensemble und zwei ganz starken Hauptdarstellerinnen inszeniert hat. Im einfachen, aussagekräftigen Bühnenbild von Stephan Mannteuffel – Holzlamellenwände, die immer wieder neue Räume bilden, die aus- und einschließen – begeistern Laia Sanmartin als willensstarkes, hochintelligentes, taubstummes Kind und Birge Schade in der Rolle der resoluten konsequenten Lehrerin. Zwischen beiden entwickelt sich ein heftiger Kampf, körperlicher Einsatz inklusive. Der Höhepunkt: Als Annie Sullivan Helen Tischmanieren beibringen will, wirft diese alle Frühstückstische um. Ihre Eltern sind entsetzt. Captain Keller, der dominierende Vater, droht die Lehrerin zu entlassen, die auf Intervention der Mutter jedoch eine letzte Chance erhält. Im Gartenhäuschen darf die Lehrerin mit ihrer Schülerin zwei Wochen allein sein, ohne die verhätschelnde Familie. Dort passiert Sensationelles. Helen erlernt das Fingeralphabet und darüber schließlich ein Gefühl für Sprache.

Wie Laia Sanmartin mit hohem Körpereinsatz eine Taubstumme spielt, die Welt um sich herum ertastend, hungrig nicht nur nach Nahrung, begierig auf alles, sich vom Tier, dem man Brocken zu essen ins Maul stopft, zum sprechenden Menschen entwickelt, das ist ganz starkes Theater. Birge Schade setzt in der Rolle der Annie Sullivan kühle Entschlossenheit und Schlagfertigkeit dagegen. So kann sie mit der ganzen Familie Keller, mit der widerspenstigen Helen und ihren unbelehrbaren Eltern fertig werden. Bestens finden sich Magdalene Artelt (Helens Mutter), Wolfgang Häntsch (Helens Vater), Daniel Heck (Helens Halbbruder) und Dela Dabulamanzi (das Hausmädchen) in die übrigen Rollen.

Text: Christian Hanke
Foto: Oliver Fantitsch

One Comment

  1. Elke Finzel says:

    Die Kritik liest sich gut, bin gespannt, gehe am Samstag dort hin.

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