Text: Angela Dietz | Foto: Hanno Krieg
Wie versichert man sich gegen Geister? Was für Geister spuken überhaupt in der Schule? Und wie wird man den Spuk los, oder sollen einige Geister in die Schule zurückkehren? Das zeigen jetzt Schüler und Schülerinnen der Stadtteilschulen Lurup und Eidelstedt und der Grundschulen Haubachstraße und Alter Teichweg in einer gemeinsamen Inszenierung mit dem Team vom Forschungstheater.
Die Kinder sitzen gruppiert um ein blaues Oval, die Spielfläche. Sage und schreibe zwölf Geister haben sie gefunden und als Schaden gemeldet. „Das sind ziemlich viele“, findet selbst Zeremonienmeisterin Sibylle Peters. An der Orgel stimmt sie mit liegenden Akkorden auf die Sitzung ein. An der gegenüberliegenden Seite sitzen Tine Krieg und Sylvia Deinert an zwei Rolltischchen vor einer Fächerwand, vollgestopft mit Werkmaterialien. In der Mitte des Ovals steht ein kreisrundes Podest, aufgeteilt in aufgemalte, mit den Geisternamen versehene Kuchenstücke.
Geister wie der Wuthase, Glotzer, Rocky Stinker und Lekra sind in kleinen Einmachgläsern eingesperrt. In den Schulen haben sie die Atmosphäre geschädigt, haben Kinder geärgert, geängstigt, wütend gemacht oder neidisch oder Lehrer krank gemacht. Doch es gibt auch einen freundlichen Spuk, für den der Glückspilz-Geist verantwortlich ist. Die Gläser mit den Gefangenen baumeln nun unter den Rolltischchen.
Nach und nach lösen Krieg und Deinert die Gläser und behandeln die Geister in einem Ritual, an dem auch die Kinder beteiligt sind. Geisteraustreibung. Krieg und Deinert spielen kurze Szenen, die an Seancen erinnern oder eben wie märchenhafte Theaterszenen inszeniert sind. Das Einmachglas pendelt derweil über dem Podest am Mikrofon und erzeugt tiefe Frequenzen, einen wummernden Gruselton. An die darüberliegende Decke ist der Schul-Lageplan mit dem Fundort des Geistes projiziert. Das ist nicht nur gruselig oder traumhaft, sondern gelegentlich sehr komisch. Am komischsten ist der Kleingeist, der Zwerg mit den großen Ohren, der schon mal die Theaterleute selbst befällt, wenn sie sich fragen, ob sich Kinder überhaupt für den Kram interessieren, den sie da veranstalten. Oder ob eine Idee nicht aus der Hochkultur geklaut sei.
„Ist der Geist noch da?“, lautet anschließend die Frage. Rufen die Kinder „Ja“, kommen die für den Geist verantwortliche Schüler-Crew und der Aufsaugtransformationswagen zum Einsatz. Mit Duschkopf-Hörern wird gelauscht. Ein Kind saugt mit einer weißen Wunderwaffe, die eben nicht schießt, die Szenerie entlang des Ovals ab. Manch Geist verschwindet dann immer noch nicht und wird zurückgegeben. Verständlich beim Glückspilz, nachdenklich stimmend bei anderen. Was können Schüler und Lehrer tun für die weitere Geisterbehandlung? Gefragt sind Tipps von den Zuschauern und den Akteuren. Ein gruseliger Raum kann bunt und hell gestrichen werden. Schüler könnten Rollen tauschen. Ein Geist könnte mit Witzen erheitert und so positiv gestimmt werden.
Die neueste Gemeinschaftsarbeit des Forschungstheaters mit Schulen behandelt auf (nicht nur) theatrale Weise Fragen des sozialen Miteinanders in der Schule: Gruppendruck, Rollenklischees, Ängste, unzulängliche Raumausstattung, Leistungsdruck. Kinder finden und untersuchen alte und neue Mythen, benennen den Spuk, nehmen ihn als vorhandenen Geist ernst und transformieren ihn oder halten an ihm fest. Das bringt auf spielerische Weise nicht nur Erstaunliches ans Tageslicht. Das kann auch schlechte Gewohnheiten, Denkweisen oder Gefühle transformieren, ganz anders als die x-te Konferenz oder Sozialtrainingseinheit. Nicht zuletzt entwickeln die Teams konkrete Vorschläge, um die großen Verhältnisse im Kleinen ein wenig zu ändern. Wie heißt es programmatisch beim Forschungstheater: „Mit Kindern zu forschen heißt: täglich zu fragen, wie wir uns die Welt eigentlich wünschen, das Unmögliche zu proben und das Größte stets mit dem Kleinsten zu verbinden.“
Team der Spukversicherung: Gyde Borth, Sylvia Deinert, Anna Holtermann, Hanno Krieg, Tine Krieg, Sibylle Peters, Dorothee de Place, Sinah Mohr
Das Projekt findet im Rahmen der Programme TuSch (Theater und Schule) und Kulturagenten für kreative Schulen statt. Die interaktive Bühnenshow wird gefördert durch den Fonds Darstellende Künste e.V.
Premiere war am 18. Februar 2013