Text: Sören Ingwersen | Foto: Bettina Stöß
Wo die Beliebtheit des Paradieses mit Gewinn-Verlust-Diagrammen aufgerechnet wird und weit hinter den Quoten politischer Parteien zurückfällt, sind die Engel wohl an irgendeiner Kreuzung falsch abgebogen. Gelandet sind sie in der Opera stabile, wo Luke Bedfords Kammeroper „Seven Angels“ mit den drei Sängerinnen Mélissa Petit, Solen Mainguené und Ida Aldrian, und vier Sängern Manuel Günther, Sergiu Saplacan, Thomas Florio und Szymon Kobylinski des Internationalen Opernstudios ihre deutsche Erstaufführung feiert.
Als Gefallene haben die ehemaligen Himmelsbewohner nur einen Flügel, den Konzertflügel mitten auf der Spielfläche, um den herum sie in geschäftsmäßiger Kluft ihre Ziele für eine bessere Welt diskutieren. Musikalisch reizvoll entzündet sich ein impulsiver Streitgesang, während Pianist Volker Krafft und das Orchester unter der Leitung von Alexander Winterson Reibungen, Schwebungen und beherzte Akzente beisteuern.
Da die Prozentbalken auf den Monitoren immer noch ein für die „Paradies-Partei“ verheerende Stimmungsbarometer zeigen, entschließt man sich zur Agitation: mit Schrifttafeln, Parolen und Plaketten für den Weltfrieden, Gleichheit und Mitspracherecht. Aufbruchsstimmung im Sog einer suggestiven Rhythmik, die zwischen Orchester und Klavier durch den Raum fegt wie die sieben heimatlosen Klassenkämpfer, von denen es sich bald zwei in einem großen Käfig bequem machen, der im übertragenen Sinn ein goldener ist. Die Ausgeschlossenen protestieren, werden mit Geldgeschenken gefügig gemacht, während im mondänen Gitterpalast Rettich-Püree, Shiitake-Feta und berauschende Getränke auf der Agenda stehen.
Es sind klare, sehr weltliche Bilder, mit denen Regisseur Heiko Hentschel die verratenen himmlischen Ideale in Szene setzt, während das Orchester von Bratschen, Trompete und Posaune dominierte Klangflächen webt, auf denen die jungen Sänger ihre Stimmen bestens ausbalancieren. Die Besucher werden aktiv ins Geschehen mit einbezogen, wozu auch die zeremonielle Reichung einer Tomate gehört. Um zu erfahren, was es mit dieser Frucht auf sich hat, aber vor allem wegen der spannenden Musiksprache des 35-jährigen britischen Komponisten Luke Bedford und ihrer überzeugenden Umsetzung, lohnt sich der Opernbesuch allemal.
Weitere Aufführungen am 25., 26., 28. u. 30.6., jeweils 20 Uhr in der Opera stabile, Karten 12 bis 18 Euro