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Der Eiserne Gustav

Winterhuder Fährhaus
Der Eiserne Gustav

Muttern (Dagmar Biener) hat es nicht leicht mit Droschkenkutscher Gustav (Walter Plathe)

Text: Hans-Peter Kurr | Foto: Thomas Grünholz

Es war nur eine Frage der Zeit, dass Walter Plathe – neben Manfred Krug der wohl prominenteste Publikumsliebling der ehemaligen DDR – über den „Eisernen Gustav“ stolperte, jenen Berliner Droschkenkutscher, den seine 1928 begonnene Reise von Berlin nach Paris und retour weltberühmt machte. Ihm schrieb der drogen- und alkoholsüchtige Hans Fallada einen erstaunlichen Lebensroman auf den Leib, dem in den fünfziger und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bekannte Filmgrößen wie Heinz Rühmann und Gustav Knuth auf Leinwand und Bildschirm originelle Gestalt verliehen.

Nun also „unser aller Walter“, seit „Landarzt“-Zeiten korpulenter geworden, stimmgewaltig, polternd und donnernd Peter Lunds, Fallada nachgeschriebenes Stück durcheilend, sich heftig durch die Szenenfolge transpirierend, wegen der sommerlichen Hitze vermutlich bei der Premiere auf den Vollbart verzichtend, den seine Vorgänger-Darsteller ebenso trugen wie die historische Figur und selbst Plathe auf sämtlichen Ankündigungsfotos und -plakaten.

An seiner Seite, hinreißend differenzierend, Dagmar Biener als seine Frau Elsbeth Hackendahl, die bereits in der Staudte-TV-Verfilmung von 1979 Tochter Sophie gespielt hat und eine Riege vom Regisseur Martin Wölffer sorgfältig ausgewählter Berliner Jungdarsteller, die offenbar auch den Beifall des Hauptdarstellers fand, von dem szenebekannt ist, dass er sich um alles selber kümmert. Denn: Er lässt sie alle um sich herum leben und ihre Fähigkeiten brav entwickeln. Diese Plathe’sche Attitüde geht manchmal gut, manchmal nicht. So ist die Idee, eine Couch mehrfach in einen Kutschbock zu verwandeln, originell und bühnengerecht – allerdings wird der Spot, der den darauf reisenden Droschkenkutscher aus der jeweiligen Szene herausführt, dilettantisch geführt und landet daher zuweilen eher auf dem Bauch als auf dem Gesicht des Darstellers; außerdem hätte man ihm durch einen „Weichzeichner“ seinen auf die Dauer unerträglichen Mondcharakter nehmen können …

Dennoch: Plathe schafft es, prall, liebevoll und ausgiebig zu erforschen, welche Motive, Verführtheiten und verdeckte Sauberkeiten in dieser kruden Figur wohnen, es gelingt ihm jedenfalls eine psychologische Studie, in der das am eigenen Idol zerriebene Innenleben sehr wirkungsvoll, bühnensicher und überzeugend auseinandergefaltet wird. Das Hamburger Premierenpublikum dankte ihm diese Bemühung einstimmig, Bart hin, Bart her …

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