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Wohnst du schon oder lebst du noch?

Die Burg
Wohnst du noch oder lebst du schon

My Newspaper is my Castle

Text: Lisa-Ursula Tschanz | Foto: Katharina Sellmann

Beim Eintreten in das Hamburgische Burgtheater wird klar: der Zuschauer ist gleichzeitig Mitbewerber einer Wohnungs-Massenbesichtigung. Auf der Bühne sind Umzugskartons, Wohnungsplakate, Tapetenrollen, an den Wänden Wohnungsbewerbungen mit Telefonnummern zum Abreißen zu sehen.

Die Regisseurin Esther Barth, die mit dieser Arbeit ihr Regie-Debut vorstellt, spielt gekonnt mit alltäglichen Gegenständen, die die Darsteller wundervoll in ihr Spiel integrieren. Hamburg im gesellschaftskritischen Fokus; Sven Menningmann, Markus Sellmann, Dorothea Hagena und Dan Thy Nguyen unterhalten, berühren, provozieren mit wortstarken Dialogen und verschaffen gelungen Einblick in ihre alltäglichen Probleme, Gefühle, Ängste und Träume, die einigen Zuschauern hinlänglich bekannt sein dürften. Untermalt werden die abwechslungsreichen Ausschnitte aus mehreren Leben mit hinreißenden, eigens von Dan Thy Nguyen komponierten und von allen Ensemblemitgliedern realisierten Gesangs- und Performanceeinlagen, die oft im wahrsten Sinne des Wortes nah am Publikum aus Hamburgs „Traum und Hölle“ berichten.

Stefan Seisler, ein arbeitsloser Geologe und werdender Vater, Thomas, ein junger Musiker ohne Bleibe, Marianne, eine liebenswerte mütterliche Radiojournalistin im fortgeschrittenen Alter und Frank Baumeister, ein Immobilienmakler im Familienbetrieb: Für die vier verschiedenen Charaktere, die sich am Ende alle die gleiche Frage nach dem „Wo gehören wir hin?“ stellen, „ist die Heimat da, wo es schmackhaftes Essen gibt, wo sich die Sonne im Wasser spiegelt oder dort, wo wir wer sind“.

Das Team EAT.PLAY.LOVE überzeugt mit facettenreichen Wendungen, die den Zuschauer überraschen, und zeigt mit dem Finger auf die Problematik der Wohnraumsuchenden in Hamburg, die diesen freischaffenden Künstlern durchaus bekannt ist. Die Zahl der Zuschauer in der Burg war unerfreulich gering, denn: Die Werbung wurde leider nicht in einem Format aufgezogen, wie Wohnungsgesuche sich überall in der Stadt präsentieren. Genau da gehörte sie jedoch hin. Die Qualität der Produktion verlangt eher nach einer Kampnagelbühne.

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