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Geschichten aus dem Wiener Wald

Thalia Theater
Geschichten aus dem Wiener Wald

Vom ungeliebten Fleischhauer zum ungeliebten Fleischbeschau: Marianne aus dem Wiener Wald

Text: Dagmar Ellen Fischer | Foto: Arno Declair

Barbusig steht das Revue-Girl im dichten Konfetti-Regen und singt – das stärkste Bild in Michael Thalheimers Inszenierung wird dem Publikum lange nicht aus dem Kopf gehen. Auch Gastspiel Nummer vier des Hamburger Theaterfestivals lässt gleichermaßen erschütterte wie begeisterte Zuschauer zurück: Die „Geschichten aus dem Wiener Wald“ erzählen zwölf großartige Schauspieler vom Deutschen Theater Berlin.

Johann Straußʼ Walzer „An der schönen blauen Donau“ lullt die Anwesenden zu Beginn bei Festbeleuchtung ein, doch dann wird’s weder schön noch walzerselig: Die naive Marianne (wunderbar: Katrin Wichmann) verlobt sich dem Wunsch des Vaters gemäß mit dem feisten Fleischhauer, liebt indes einen windigen Hallodri. Das gemeinsame Kind, in Österreich gern Bastard genannt, überlebt das Kümmern der Großmutter nicht, die gibt es fahrlässig winterlicher Kälte preis. Der sind im Grunde alle Figuren in Ödön von Horvárths berühmtem Drama ausgesetzt, das kurz nach der Uraufführung 1931 verboten wurde. Messerscharf entlarvt der Autor darin die Verlogenheit einer Gesellschaft, die jede Sehnsucht nach Glück grausam lächelnd niederknüppelt. „Du wirst meiner Liebe nicht entgehen“, so die Drohung des Ex- und Erneut-Verlobten. Tatsächlich endet Marianne nach verwaister Mutterschaft und Bühnen-Prostitution in eben dieser Ehe-Hölle. Langer Applaus im Thalia Theater nach zwei Stunden pausenlosem Gastspiel.

www.hamburgertheaterfestival.de, bis 10.11. div. Spielorte und Zeiten

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