Text: Angela Dietz | Foto: Mapili Theater
Es ist immer wieder faszinierend, welche Magie aus den allerkleinsten Figuren erscheinen kann. Dem Mapili Theater gelingt dies mit „Die Kinder und der Grummelpott“ in der Regie von Kristiane Balsevicius, einer Bearbeitung des Märchens „Der selbstsüchtige Riese“ von Oscar Wilde, aufs Schönste.
Manuel Virnich spielt, singt und pfeift die Geschichte über ein im ewigen Winter erkaltetes Herz, das sich durch die Kinder am Ende erwärmt und doch noch froh wird. In seiner Miniaturwelt – einer Handvoll Kugelköpfen im bunten Kleid, oftmals kaum größer als ein Finger – ist der Grummelpott, der unterarmlange Riese mit eckigem Schädel, noch der Größte.
Golden scheint die Sommersonne am Himmel, einem Tuch als Bühnenprospekt. Virnichs gezupftes Gitarrenspiel stimmt das Publikum in den Lauf der Jahreszeiten ein. Im Folgenden zaubert der Schau- und Figurenspieler mit zwei Händen, Stimme und Sprache rund um die Tischbühne auf mehreren Ebenen. Figuren-Kinder, Feder-Vögel, Wäscheklammer-Papier-Blumen, Tücher-Wind und Tuch-Schnee lassen den Garten des Riesen durch alle Jahreszeiten wandern. Bau und Ausstattung sind bis ins Detail liebevoll, von schlichter Schönheit und funktional. Kein Ding ist zu viel.
Nelli, Paula, Leo, Pitti und Nicola lieben den Garten mit seinen zwei großen Bäumen und den bunten Blumen. Fröhlich schaukeln sie mit einem Seil, bis der Riese sie vertreibt. Schon der Auftritt der kleinen Wesen, nach und nach, ist wunderschön gespielt: zart und lustig zugleich.
Treffsicher und punktgenau setzt Virnich sowohl die Kinderfiguren selbst wie ihre Stimmen. Der Riese ist zum Fürchten, aber nicht gruselig, von Vornherein mit einer menschlichen Nuance versehen. Selbst den Amselgesang im Frühling und den eisigen Winterwind spielt Manuel Virnich so fein ausbalanciert wie wirkungsvoll. Und tritt er als Erzähler hervor, bleiben Spiel und Szene durch sein genaues Timing und seine Leichtigkeit fein austariert, auch wenn die Sprache salopp wird. Das junge Publikum im Fundus Theater ist von gebannter Aufmerksamkeit und amüsiert sich köstlich, wenn es was zu lachen gibt.
Der Grummelpott zieht eine Mauer um seinen Paradiesgarten. Fortan ist den Kindern der Weg zu ihren Lieblingsplätzen verwehrt. Wie nun der Riese mittels eines Schattenspiels in der Tischbühne seinen ewigen Winterschlaf hält, ist von anrührender poetischer Kraft. Im Traum erscheint ihm ein Kind, das ihn zum Lachen bringt.
Als das besonders zarte, namenlose Kind – das vielleicht die Kinderseele des alten Grummelpotts verkörpert – schließlich durch die Mauer schlüpft und in des Riesen Wirklichkeit zu leben beginnt, beginnt auch er zu leben. Der Winter ist vorbei, die anderen Kinder kommen zurück und spielen lachend im Garten. Am Ende ist der Riese erlöst.