Text: Dagmar Ellen Fischer | Foto: Bühne Bumm
Das kennt jedes Kind: Es soll ins Bett und ist überhaupt nicht müde! Vermutlich in genau solch einer Situation ersann Theodor Storm 1849 „Der kleine Häwelmann“, die Geschichte eines Jungen, der einfach nicht schlafen will. Und während seine Mutter schon vernehmlich schnarcht, bricht er in seinem Bett auf Rollen zu einem abenteuerlichen Ausflug in die Nacht auf. Frei nach dem bekannten Märchen entstand ein 50-minütiges Theaterstück für Kinder ab drei Jahren mit der Bühne Bumm.
Die Bettdecke wird zum Segel, das senkrechte Häwelmann-Bein zum Mast, und mit etwas Wind nimmt das Segel-Bett Fahrt auf. Der Mond am Himmel wird zum gutmütigen Begleiter des Ausreißers, mit ihm kann er sogar verstecken spielen – langweilig ist nur, dass er mit seiner himmelhohen Übersicht immer gewinnt. Als der kleine Häwelmann durch die Straßenschluchten rast, hört er, wie sich die Häuser miteinander unterhalten, und mit ihren schwarzen Fenstern glotzen sie gruselig auf ihn herab. Schließlich erreicht er die Kirche und drängt dem Wetterhahn des Kirchturms ein Gespräch auf: Er müsse jetzt unbedingt krähen, damit die Menschen in der Stadt wach werden und ihn auf seiner wilden Fahrt bewundern! Doch der pflichtbewusste Hahn lässt sich nicht nötigen und schickt ihn stattdessen in den Wald, wo Tiere als Publikum dienen könnten – doch auch dort stellt sich der gewünschte Beifall nicht ein. Was liegt also näher, als in den Himmel zu fahren, wo er ohnehin schon einen mondgesichtigen Verbündeten hat? Also auf zur Sternenparty, denn selbstverständlich kann das Segel-Bett auch fliegen …
Am nächsten Morgen erwarten den Abenteurer die Mutter und ein Frühstück. Und das Publikum am Ende des Stückes die Schlussworte der beiden Spielerinnen Judith Mauch und Katrin Sagener: Jedes Kind könne eine ähnliche nächtliche Reise spielend träumen. „Ich hab kein Rollenbett!“, kommt der bedauernde Kommentar eines Jungen aus dem Zuschauerraum. Schade.
Schade ist auch, dass die Darstellerinnen ihrer körperlichen Präsenz nicht zu trauen scheinen: Wenn es darum geht, rasante Fortbewegung auf wenigen Quadratmetern zu simulieren, soll das nötige Tempo von der eingespielten Musik kommen – doch die erzeugt bei zeitgleichem Sprechen nur ein Zuviel an akustischer Unruhe, erst in den Ohren des Publikums, dann im gesamten Zuschauerraum. Auch taugt „Der kleine Häwelmann“ (heute) nur noch bedingt als Identifikationsfigur: Eigentlich ist er ein kleiner Nervsack, der nicht nur nicht schlafen will, sondern für seine extravagante Tour auch noch eitel Applaus erwartet. Und nicht zuletzt konnte man die Fragezeichen in den Köpfen der Kinder regelrecht sehen, als sein Name am Anfang erstmals fiel: Häwelmann? Hä…?
Es ist der niederdeutsche Ausdruck für einen Heranwachsenden, der übertriebene Aufmerksamkeit fordert. Was beweist, dass Kinder zu Theodor Storms Lebzeiten natürlich auch schon einen großen Bewegungsdrang hatten. Auch den kennt heute jedes Kind.