Highlight / Kritik / Schauspiel

Fett Swien

Die Liebe geht bei Milena (Tanja Bahrami) und Tom (Jacques Freyber) zunächst durch den Magen.

Text: Christian Hanke | Foto: Sinja Hasheider

Milena isst gern. Das stellt Tom beim ersten zufälligen Zusammentreffen am Imbisstisch sofort fest. Man sieht’s ja auch: Milena ist vollschlank, wie wohlbeleibte Frauen gern höflich genannt werden. Aber sie gefällt ihm. Er, eher schüchtern und etwas ungelenk, ihr sowieso. Man trifft sich und kommt sich näher in Neil LaButes bösem Zeitgeiststück „Fettes Schwein“, das Cornelia Ehlers (Dramaturgie) und Frederike Barthel (Regie) jetzt zeitgeistig mit blinkender Werbung und Hits von heute ins Niederdeutsche übertragen haben: „Fett Swien“.

Alles könnte bestens sein. Milena und Tom empfinden ihre Beziehung als etwas Einmalig-Besonderes. Wären da nicht die lieben Kollegen im Büro, die es überhaupt nicht verstehen, wie der gut aussehende Tom sich ausgerechnet mit einer beleibten Frau wie Milena zusammentun konnte. Clemens, der intrigante Freund, der überall seine Ohren hat, bringt seine Sicht der Dinge schließlich rassistisch auf den Punkt: Jeder sollte sich mit seinesgleichen zusammentun; Dicke, Behinderte, Fremde wollen sie nicht, weil sie daran erinnern, dass auch sie so werden könnten. Und für Toms Exfreundin Jenny, Buchhalterin in seiner Firma, die Tom zurückgewinnen will, ist Milena nur ein „fettes Schwein“. Ihr ist völlig unbegreiflich, warum ein Mann sich freiwillig mit einer Frau dieser Figur abgibt. Kein Problem für eine starke Liebe, sollte man denken. Doch Tom knickt ein unter den Sticheleien und Hetzreden seiner Umgebung. Er könne nur im Einklang mit seinen Freunden und Kollegen leben, gesteht Tom Milena. Black Out. Ende und aus.

In Cornelia Ehlers gestraffter niederdeutscher Version von LaButes hervorragendem Stück über Vorurteile, Charakterschwäche und die Macht des Gruppenkodexes glänzen die vier Darsteller. Allen voran Tanja Bahrami als schlagfertige und trotz der vielen Pfunde selbstbewusste Milena. Sehenswert aber auch Jacques Freyber in der Rolle des zögerlich-schüchternen Tom, ein lieber Kerl, aber ein schwacher Charakter. Ebenso Tobias Kilian, der sich als aalglatter Clemens um den beeinflussbaren Tom windet und dabei am Arbeitsplatz so manche Runde Golf spielt. Großartig auch Kristina Bremer in der Rolle der Jenny, die sich bei ihren zielstrebigen Versuchen, Tom zurückzugewinnen, einen Korb nach dem anderen einfängt, mit köstlich-hysterischen Ausrastern.

Bis 6. April im Ohnsorg-Studio, Heidi-Kabel-Platz 1, Tel. 35 08 03 21

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*