Text: Hans-Peter Kurr | Foto: Hilda Lobinger
Was einem Geist entspringen kann, der sich ein allerdings nur 39 Erdenjahre währendes Leben lang gegen einen alkoholdurchtränkten Körper durchsetzen muss, lässt sich – bei der Betrachtung des literarischen Werkes des Waliser Dichters Dylan Thomas – als Wunder bezeichnen. Als sein bekanntestes Stück gilt bis in unsere Tage „Unter dem Milchwald“, das vom Metropoltheater München auf der Bühne des Altonaer Theaters einem nach knapp zwei Stunden jubelnden Publikum präsentiert wurde.
Es ist ein Werk ohne erzählbare Handlung. Am ehestens würde die Bezeichnung Aneinanderreihung von einaktigen Sketchen zutreffen: zahlreiche Episoden, die sich um die Bewohner des Fantasiestädtchens Llareggub ranken: Um einen Kapitän zum Beispiel, dem täglich die Geister seiner ertrunkenen Kameraden erscheinen, und einen Briefträger, der vor dem Austragen alle Briefe liest, einen Schlachtermeister mit ekelhaften Fleischangeboten, eine Hotelwirtin mit Reinlichkeitsfimmel, einen mit dem Heiland dialogisierenden Pastor, einen Organisten, der sich von seinem Instrument beherrschen lässt – allesamt bis ins Groteske hochstilisierte Figuren, deren Verlebendigung auf der Bühne Schauspielern und der Regisseurin Ulrike Arnold Höchstleistungen abverlangen, wie sie nur Mitglieder der ersten Garde des Darstellerberufes erbringen können. Und die standen dem Münchner Haus zur Verfügung: Lena Dörrie, Lisa Wagner, Markus Fennert, Gerd Lohmeyer und Thomas Meinhardt machen den Abend zu einem Feuerwerk ohnegleichen!
Neben ihren Namen muss dringlich der des Übersetzers genannt werden: Erich Fried ist es gelungen, Satz für Satz eine dem Original adäquate deutsche Fassung zu schaffen, eine Leistung, die auf der Höhe der Nachdichtung antiker Dramen durch den verstorbenen Walter Jens siedelt. Bewundernswert!