Text: Sören Ingwersen | Foto: Margaux Weiß
Macht es Eltern glücklich, wenn ihr Sprössling Playmobil-Figuren in der Mikrowelle grillt? Eher nicht. Aber vielleicht wird das Kind dadurch klüger. „Da Gefahr!“ heiß die neue Produktion des Forschungstheaters im Fundus Theater für Zuschauer ab drei Jahren. Sie wurde inspiriert durch das Buch „50 Dangerous Things (you schould let your children do)“ von Julie Spiegler und Gever Tulley und öffnet auch manch Erwachsenem die Augen dafür, dass Gefahr nicht per se etwas Negatives ist. Beispiel: Popcorn. In der Mitte der großen Bühnendrehscheibe kauert Darstellerin Sibylle Peters. Auf ihrem Schutzhelm ist eine elektrische Kochschale montiert, aus der nach eine paar Ehrenrunden munter die aufgepoppten Maiskörner fliegen. Ein witziges Bild. Aber nicht nur die Maiskörner fliegen, sondern auch – man sieht es gut im Licht der Bühnenstrahler – heißes Fett! Ein Warnstreifen rund um die Drehscheibe markiert den Gefahrenbereich. Die Besucher sitzen außerhalb, in sicherem Abstand – und lassen sich die Leckerei schmecken. Aus Gefahr erwächst Genuss, könnte man zugespitzt formulieren. Und eine gewisse Tauglichkeit für die Belange des Lebens. Sofern man lernt, die Gefahr richtig einzuschätzen und die nötigen Schutzvorrichtungen zu treffen. Darum geht es in der 60-minütigen Performance für zwei „Gefahrenforscher“, die in Koproduktion mit dem Unicorn Theater London entstand.
Zweites Beispiel: Hüpfhase. Wie stark kann man ein solches Gummitier aufblasen, bevor es platzt? Dieses Experiment stellt nicht nur für den Hasen, sondern auch für das Trommelfell eine Gefahr dar. Deshalb gibt es was auf die Ohren: einen Schallschutz für jeden. Dann dürfen die Kinder das Druckluftgerät betätigen. Nach jedem Schub misst Darsteller Hanno Krieg den wachsenden Umfang des Hasen, bis der sich mit einem erschreckenden Knall in eine schlaffe Hülle verwandelt, die immerhin noch zur Handpuppe taugt. Und zu einem kurzen Exkurs über Joseph Beuys und seine Kunstaktion „Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“. Auch Fluxus-Künstlerin Yoko Ono, die ein Streichholz anzündet und es bis zum Verlöschen abbrennen lässt, und Body-Art-Performer Chris Burden, der fast unbekleidet über einen von Glasscherben bedeckten Boden robbt, halten als Vorbilder für praktische Experimente her.
Einer, der mit solchen Extremerfahrungen wenig anfangen kann, ist der „Security Man“, der jedes Gefahrenpotenzial von vornherein ausschalten will: „Mache nichts Ungewöhnliches! Schließe dich ein! Treffe dich nicht mit Leuten, die du nicht kennst!“ Gegen die Gefahr der Langeweile, der Erlebnisarmut und des seelischen Verkümmerns hat er allerdings kein Rezept. Das liefert ja auch schon die Performance, die Mut zum Mut, aber eben nicht zum Leichtsinn macht. Das glückliche Ende besiegelt eine klassische Doppelhochzeit: Jeweils zwei Freiwillige werden an den Fingern mit Sekundenkleber verschweißt. Kein Bund fürs Leben, aber immerhin für fünfzehn Minuten. Schon davor würden manche sich fürchten. Ab jetzt sollen die Kinder der Gefahr bedacht ins Auge sehen, etwa eine Playmobil-Figur in der Mikrowelle kreisen lassen, Fotos machen und sie ans Fundus Theater schicken, lautet Petersʼ Schlussapell. Eine Aufforderung zu verspieltem Ungehorsam? Oder eine Maßnahme, um künftig Gefahren besser einschätzen zu können? Das mag jeder für sich selbst entscheiden.
Weitere Aufführungen: 6.3., 10 u. 16 Uhr, Fundus Theater, Karten: 6 Euro, Tel. 250 72 70