Text: Christian Hanke | Foto: Thomas Grünholz
Eine typische Ehesituation: Laurence und Pierre sind bei Freunden eingeladen. Pierre steht schon am Fahrstuhl, Laurence ist noch nicht fertig, Pierre drängelt. Die Zeit wird knapp. Laurence findet einen Grund nach dem anderen, um nicht aufzubrechen. Schließlich beschließt sie, überhaupt nicht zu gehen. Sie fühlt sich alt, zu nichts nütze – die Kinder sind aus dem Haus – und nun möchte sie mit Pierre über alles reden. Der ist verzweifelt, aber machtlos gegen seine temperamentvolle Frau. Schließlich gehen Laurence und Pierre doch zum Essen mit den Freunden: „Anderthalb Stunden zu spät“.
In dieser Zeit spielt das gleichnamige Stück von Gérold Sibleygras und Jean Dell. Ein Leckerbissen für Nora von Collande und Herbert Herrmann, die tatsächlich miteinander verheiratet sind. Das wird sicht- und hörbar in nahezu jeder Szene.
Das Alter naht. Vor allem Laurence macht sich Gedanken über den Ruhestand; Pierre sieht dem letzten Lebensabschnitt eher optimistisch entgegen. Klar, dass dabei auch die Vergangenheit nicht ausgelassen wird. Warum hat sich Laurence für Pierre interessiert, warum Pierre für Laurence? Diese und andere Fragen zu ihrer zwanzigjährigen Ehegeschichte möchte Laurence bei der Gelegenheit ebenfalls geklärt wissen.
„Anderthalb Stunden zu spät“ ist ein munterer Schlagabtausch zwischen den Partnern, die trotz aller Gegensätze nicht voneinander lassen können. Mit nicht allzu viel Tiefgang ausgestattet, dafür mit zündenden Dialogen, ist das Stück wie geschaffen für ein Ehepaar auf der Bühne. Das tut beiden gut, insbesondere Herbert Herrmann, der sich ein ums andere Mal von seinen sonst oft allzu maskenhaften Stereotypen befreien kann. Beim Schlussapplaus besiegelt ein Kuss die gute Leistung der beiden Publikumslieblinge.
Aufführungen bis 17. Mai in der Komödie Winterhuder Fährhaus, Tel. 480 680 80