Text: Hans-Peter Kurr | Foto: Torsten Kollmer
Mit Claudio Monteverdi, so lehrt uns die Musikwissenschaft, beginnt die Geschichte der Oper. Dass dieser geniale Italiener des 16./17. Jahrhunderts sich in der griechischen Mythologie orientierte , ist seit seinem berühmten Hauptwerk „Orfeo“ bekannt, weitaus weniger Information haben wir über die Komposition „Ariana“ (obwohl eine Bearbeitung des Fragments durch Carl Orff vorliegt), deren einzig erhaltenes Teilstück „Lamentoso“ jetzt von Absolventen der Hochschule für Musik und Theater als Einstieg in einen fantasiereichen und musikalisch hochkarätigen zweiteiligen Abend präsentiert wurde, gefolgt von Bohuslav Martinus vollständig erhaltener „Ariane“.
Monteverdi verliebte sich offenbar in eine altgriechische Erzählung, die noch heute gelesen wird: Wie der Held Theseus den Minotaurus im Labyrinth von Knossos zu besiegen sucht, dabei Ariadne kennenlernt, die ihm mit der berühmten Morgengabe ihres Fadens aus dem Labyrinth herauszufinden hilft und schließlich das Leid aller Verlassenen auf sich nehmen muss, weil sie ihren Helden zurück in seine hellenistische Heimat ziehen lässt, wo er noch mehr Unheil anrichtet. Er vergisst, die Verabredung mit seinem Vater Aegeus einzuhalten, bei seiner Rückkehr als Zeichen der erfolgreichen Mission weiße Segel zu setzen und behält die schwarzen aus der Zeit seines Aufbruchs bei. Das entsetzt seinen alten Vater dergestalt, dass er von der hohen Klippe ins Meer springt, das seither bis in unsere Tage den Namen „Aegeisches Meer“ trägt. (Zur Erinnerung des Lesers sei hinzugefügt, dass Theseus der nämliche ist, der bei Sophokles den geblendeten Oedipus an dessen Grab im Heiligen Hain von Kolonos geleiten darf!).
Luisa Reichelt spielt das einzige Instrument, das als Begleitung der Sänger bei Monteverdis „Lamentoso d’Ariana“ vorgesehen ist, sehr einfühlsam: die klassische Laute. Friederike Blum inszeniert auf weißem Tanzteppich ein durch die Zeiten laufendes Ensemble geschickt, aber nicht zwingend einleuchtend. Im Gegensatz dazu gelingt der Regisseurin im Martinu-Teil des Abends mit sparsamen Mitteln eine ungewöhnliche Mythen-Vision, die ein sängerisch hochkarätiges Solisten-Ensemble träumt, allen voran Nina Rademacher, die nahezu Astrid-Varnay-Niveau erreicht, wenn sie die höchsten sopranesken Notengipfel sicher und – scheinbar – mühelos erklimmt (Welch ein Arbeitspensum muss diese begabte junge Sängerin während ihres Studium bewältigt haben?) und zusätzlich – wie leider selten bei Sängern –schauspielerische Qualitäten aufweist, die sie des Tschechen einigermaßen abstruse Idee, Ariadne liebe den Minotaurus zutiefst, darstellerisch glaubhaft auszuweisen erlauben. Eine große Entdeckung, geführt und sorgsam geleitet vom stabführenden Matthias Mensching und seinem Kammerorchester.
Fazit: ein 90-minütiger Abend von hohem Anspruch.
Weitere Vorstellungen: 23.11. 19.30 Uhr, 24.11. 18.00 Uhr, 30.11. 19.30 Uhr