Text: Sören Ingwersen | Foto: Inken Rahardt/Opernloft
Das Liebesexperiment in Mozarts „Così fan tutte“ ist hinlänglich bekannt: Zwei junge Burschen, Ferrando und Guglielmo, wollen die Treue ihrer Partnerinnen Dorabella und Fiordiligi auf die Probe stellen. Sie täuschen eine Reise vor, um dann in Verkleidung die Geliebte des jeweils anderen zu verführen, wobei die Damen den Avancen der unerkannten Verehrer zu schlechter Letzt erliegen. Auf Frauen ist in Liebesdingen eben kein Verlass, so die zweifelhafte Moral, die Nina Kupczyk mit ihrer Inszenierung des Zweiakters am Opernloft lustvoll aus den Angeln hebt.
Die Sopranistin Aline Lettow und die Mezzosopranistin Franziska Gündert schlüpfen in die Rollen der Protagonistinnen und schon bald aus ihrem biederen Sekretärinnen-Outfit in verführerische Negligés. Denn mit den Herren hat man sich auf ein pikantes Spiel verständigt: Partnertausch. Dass dieses nicht ganz harmlos ist, wird klar, als die vertrauten Mozart-Klänge düster wummernden Elektro-Beats weichen und Maskenspiel und Schreckenspose die Szene dominieren. Hatten Ferrando (Du Wang) und Guglielmo (Shlomi Wagner) ihren Liebsten zum vermeintlichen Abschied („Unsere Mütter feiern zufällig ihren 80. Geburtstag in Istanbul“) noch lapidar einige Pornohefte und Dildos zur Kultivierung sexueller Fertigkeiten überreicht, müssen die Herren bald erkennen, dass Dorabella und Fiordiligi mit den Finessen des Eros bestens vertraut sind. Immer wieder fällt ein Geldstück in den Münzautomaten und das elektrisch betriebene Schaukelpferdchen wird zur Selbstbefriedigungsmaschine, die man im Rausch der Lüste auch im Quartett besteigt. Später öffnet sich der Vorhang hinter dem mächtigen Naturholzportal, das Pascal Seibickes klar strukturiertes Bühnenbild beherrscht, zu einer weiteren Bühne, auf der ein Pole-Dance das Vokabular der Verführung komplettiert – komische Rutschmanöver inklusive.
Wahre Verführer sind die vier Darsteller auch in stimmlicher Hinsicht: Shlomi Wagner überzeugt in der Rolle des Guglielmo als Latin Lover mit baritonalem Schmelz, dem Du Wangs kräftiger Tenor ebenbürtig zur Seite steht. Aline Lettows Sopran hat nicht nur Strahlkraft, sondern auch jenen Nachdruck, der Fiordiligi über jeden Verdacht erhebt, nur ein gegängeltes Frauchen zu sein. Glühend leuchtet auch Franziska Günderts Mezzo in diesem Quartett, auf das die Originalbesetzung reduziert wurde und in dem die Geschlechter dankenswerterweise nicht gegeneinander ausgespielt werden. Denn von Beginn an liegen die Karten offen auf dem Tisch. Man will spielen, miteinander, aber vor allem mit der eigenen erotischen Fantasie. Dass sich Triebe zu Treue bändigen ließen, entpuppt sich hier als Illusion, der keine Träne nachgeweint wird. „Akzeptiere, dass sich alles wandelt“ – mit dieser buddhistischen Weisheit endet das Stück, dessen Übertitel nur gelegentlich den tatsächlichen Arientext wiedergeben.
Frenetischen Applaus gibt es bei der Premiere für das tolle Sänger-Team, für das kleine, aber feine Instrumentalensemble mit Makiko Eguchi (Klavier), Beatriz Pavlicenco (Violine) und Konrad von Oldenburg (Cello) und für Nina Kupczyks ebenso mutige wie schlüssige Regie, die mit Mozarts Vorlage so frei umgeht, wie die Figuren im Stück mit der Liebe. Eine Liebe, die diesen flotten Vierer bravourösen Operngesangs nicht nur überlebt, sondern vielleicht sogar verstärkt aus ihm hervorgeht.
Weitere Aufführungen: 16.5., 10.7., 16.8. u. 18.9., jeweils 20 Uhr, Opernloft