Kinder & Jugend / Vorbericht

Das Theatervirus ist doch stärker

Wie Kindertheatergruppen und -spielstätten mit Corona umgehen

Spooky und lehrreich: „Grusel Grusel“ von Die Neue Kompanie

Text: Angela Dietz, Foto: Helen Schröder

Wie geht es den Protagonisten der Hamburger Kindertheaterszene? Was tun sie, was konnten sie tun? Und wie geht es in der kalten Jahreszeit weiter, in der das Spielen in Parks und auf Plätzen unmöglich ist?

In den vergangenen Monaten wurde viel über kreative Impulse durch die Corona-Pandemie gesprochen – nicht nur für Künstler. Doch viele haben auch Lähmung durch den Schock erfahren oder sind von existenziellen Nöten geplagt. Es fehlt das Geld. Umso erfreulicher war zuletzt die Mitteilung der Kulturbehörde, dass die Förderung der freien Szene in diesem Jahr um 680.000 Euro aus dem Hilfspaket Kultur aufgestockt wird.

Sie platzte mitten in die Vorbereitung eines Arrangements von Szenen etlicher freier Gruppen der Kinder- und Figurentheaterszene Hamburgs: „Theater für dich, Theater für mich“. Spielen, sie wollten endlich wieder für die Kinder spielen, mit Abstand – untereinander, zum Publikum – und boten Kostproben ihrer künstlerischen, inszenatorischen Vielfalt in etlichen Stadtteilkulturzentren. Verbunden war die Aktion mit einer Postkartenbotschaft an jene oben erwähnte Behörde, die, unterschrieben von den Kindern, zeigen sollte, wie hungrig alle nach dem „Spiel“ sind – Künstler und Künstlerinnen wie junges Publikum. Der Ruf schien schon vor Übermittlung angekommen.

Wer gruselt sich vorm Buchstabenlernen?

Einige haben ausprobiert, was Theater im digitalen Raum vermag. Das neunköpfige Performance-Kollektiv „Die Neue Kompanie“, 2016 auf Kampnagel gegründet, hat sein für den realen Raum geplantes Alphabet der Monster und Ungeheuer komplett in den digitalen Raum verlegt. So entstand die lustvolle Stop-Motion-Produktion „Grusel Grusel“ – schöne Schauergeschichten, einmal durchs Alphabet dekliniert, nach Regeln vieler Künste.

Traummaschine Inc., in München aktiv, aber auch in Hamburg mit Gastspielen oder Arbeiten einzelner Protagonisten wie Charlotte Pfeiffer vertreten, musste im April die Hamburg-Adaption von Dicken’ „Oliver Twist“ verschieben. Jetzt ist eine Hörfassung entstanden: „Die Geschichte von Charles Dickens mit neuem Twist.“ Das 56-minütige Hörspiel mit Bildern ist auf der Website des Fundus Theaters abrufbar.

Das Theater Zeppelin, Hamburgs einziges schwimmendes Kindertheater auf dem Hoheluftschiff am Kaiser-Friedrich-Ufer in Eimsbüttel, hat sich in Kooperation mit dem Gymnasium Hoheluft mit Künstlicher Intelligenz auseinandergesetzt. „Operation KI“,  reales Theater zum Thema Robotik für Kinder ab sechs Jahren, hatte schon im September Premiere. Die Spielzeiteröffnung am 5. September mit „Momentmal. Corona Shut-Down Kurzfilme“ war ausverkauft.

Merkwürdigkeiten zum 40. Geburtstag

Gastspiele wie „Zwergnase“ vom Theater Brekkekekex (ab 6) oder die Eigenproduktionen „Der Bär und die Bienen“ (ab 5) werden vor Publikum auf begrenzter Platzzahl gespielt – wie in allen Theatern. Der Spielplan ist proppenvoll, nicht nur weil teilweise zweimal hintereinander kürzere Fassungen aufgeführt werden. Zu Gast sind Schauspiel- und Figurentheatergruppen.

Für das Fundus Theater ist die jetzt startende Spielzeit eine besondere. Das von Sylvia Deinert und Tine Krieg gegründete Theater feiert 40. Geburtstag! Das wurde hier schon an anderer Stelle gewürdigt.

Zum Jubiläum hat das Fundus Theater die Spielzeit mit einer interaktiven Ausstellung eröffnet, in der Kinder und Erwachsene die Dinge erforschen können, die sich über die 40 Jahre angesammelt haben – viele Merkwürdigkeiten und Möglichkeiten! An den Start geht auch „WOW. Wahrheit oder Wagnis“. In der transformierten Fortsetzung des Familienprogramms „Weil Wochenende“ können Kinder Erwachsene fragen, was sie immer schon mal fragen wollten und umgekehrt.

Ein Bericht für die Senatorin

Doch zunächst konnte wegen der Pandemie der Abschlussbericht des Kinderwahlbüros – einem Projekt vom Verein „Profund Kindertheater“ in Kooperation mit dem Fundus Theater – nach der Bürgerschaftswahl nicht wie geplant im Rahmen der „Transgeneratoren“-Reihe den Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft übergeben werden. Das wird an diesem Freitag, 16. Oktober, endlich nachgeholt, der Bericht wird Senatorin Melanie Leonhard überreicht.

Und wann, wenn nicht im vergangenen Sommer, konnte man gut im Freien spielen? Das Theater Mär spielte open-air wie auch das Junge Schauspielhaus, letzteres als Heckentheater im Stadtpark. Das Hamburger Sprechwerk gibt die Bühne fürs Theater Mär mit „Gute Nacht, Gorilla“ und den „Maulwurf Grabowski“ frei. Das Theater am Strom eröffnete seine Spielzeit auf dem Fußballplatz beim „SV Vorwärts 93 Ost“ in Georgswerder multimedial und mit Livemusik.

Die „Stromer“ mussten ihre Premiere von „Neuland “ (ab 10) im Juni wegen der Beschränkungen auf den 6. November verschieben. Ab 18 Uhr erkundet das Stück im Fundus Theater einen Fluchtwege aus Syrien. Der Berliner Schauspieler syrischer Herkunft, Mudar Ramadan, und die Hamburger Schauspielerin Gesche Groth machen sich mit den Zuschauern auf die Suche nach der exemplarischen Fluchtgeschichte eines syrischen Kindes von Aleppo nach Deutschland.

Wie der Blitz das Leben gebiert

Am 20. November feiert auch „kirschkern, Compes & Co“ Premiere im Fundus Theater. Das Stück „Luca – Die Urzelle spielt verrückt“ (ab 6) ist eine Eigenproduktion des Teams und handelt vom Ursprung des Lebens. LUCA, der „Last Universal Common Ancestor“, ist nach heutigem Wissensstand der alleinige und einzige Vorfahr allen Lebens auf der Erde, eine Zelle im schwarzen Urmeer. Nachdem der Blitz eingeschlagen hat und sie teilt, spielen die Teile verrückt.

Hamburgs ältestes Kindertheater mit eigenem Haus, das Theater für Kinder an der Max-Brauer-Allee in Altona, hat gleich zwei Uraufführungen ins Programm gehoben. „Der kleine Beethoven“ (ab 5) und „Däumelinchen“ (ab 4) sind nach bester Tradition musikalische Erzählungen oder musikalische Märchen. Gespielt wird meist freitags, sonnabends und sonntags, bis Ende des Jahres auch „Kleiner Dodo, was spielst du?“, „Der Karneval der Tiere“ und „Däumelinchen“ aus dem Repertoire. Am Sonnabend, 14. November, feiert „Rumpelstilzchen – total versponnen“ Premiere um 14 Uhr.

Auch die Puppen legen wieder los

Ein Blick ins Herbstprogramm 2020 des Hamburger Puppentheaters in Barmbek-Süd lohnt sich. Traditionsgemäß spielen hier viele Gruppen aus Hamburg und der Region, aber auch viele Gäste.

Gleich sieben Hamburg-Premieren von Künstlern und Künstlerinnen aus anderen Städten hat das Haus bis Ende des Jahres zu bieten und eine Hamburg-Premiere vom Theater Albersmann: „Sieben allein zu Hause“, am Sonnabend, 7. November, um 15 Uhr. Eine Abendaufführung für Erwachsene war ebenfalls dabei, der „Jedermann“ vom Hohenloher Figurentheater.

Am Sonntag, 18. Oktober, sind die Handpuppen von Sebastian Putz und dem Meininger Staatstheater mit „Die Geburtstagstorte oder Kaspers große Jagd“ (4 bis 10) um 11 und 15 Uhr zu Gast. Das Holzwurmtheater präsentiert „Amy, Tarik und das Herz Emoji“ (9 bis 12), sein Stück über die erste Liebe, Fußball, Mobbing und Cybermobbing, an den Donnerstagen, 22. Oktober und 5. November, jeweils um 10 Uhr.

Das Frühjahr 2021 verspricht weitere Gastspiele und (Hamburg-)Premieren im einzigen Haus der Stadt für Figurentheater.

Frühjahr 2021? Sicher ist der Wunsch, der Wille, die Sehnsucht, die Leidenschaft fürs Theaterspiel für Kinder mit Figuren, Objekten oder Schauspielern. Nicht sicher ist dagegen, ob die unmittelbare Magie des Raumes und der Akteure und – man möchte sagen – der „odeur“, der Geruch, erlebbar sein wird. Wir drücken die Daumen für diese Form der Unmittelbarkeit! Und nein, hier folgt kein Verhaltenskodex.

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