Highlight / Kritik / Musiktheater

Dat Narrenhuus

Ohnsorg Theater
Dat Narrenhuus

Fesch in Rüschen: die Travestietruppe „Zaretten“

Text: Christian Hanke / Foto: Jutta Schwöble

Das Ohnsorg Theater war wieder einmal mutig und hat ein großes Musical auf seine kleine Bühne gebracht. Und hat gewonnen. „Ein Käfig voller Narren“ von Jerry Herman und Harvey Fierstein – das erste international erfolgreiche Musical, das sich mit der Toleranz gegenüber Homosexuellen beschäftigt – hatte unter dem Titel „Dat Narrenhuus“ Premiere, ins Niederdeutsche übersetzt von dem darauf spezialisierten kongenialen Duo Hartmut Cyriacks und Peter Nissen. Die Ohnsorg-Version des 1973 als Theaterstück geschriebenen, 1978 verfilmten und 1983 am Broadway uraufgeführten Musicals spielt in einem kleinen Travestie-Theater auf St. Pauli. Wer wird da nicht ans Pulverfass denken?

Musical-Schwergewicht Hardy Rudolz spielt den Theaterbesitzer Georg überzeugend väterlich und als quirligen Conféncier, der mit seinem größten Star, Alwin, Künstlername Zaza, liiert ist. In dieser Rolle liefert Erkki Hopf, seit Jahren für seine großartigen Auftritte auf der Ohnsorg-Bühne gefeiert, ein weiteres, vielleicht sein bestes Meisterstück. Hopf zeigt Zaza hinreißend als kapriziöse Diva mit Hunderten von Allüren, und ebenso als fürsorgliche Mutter von Georgs Sohn Jan-Michael, einer Verirrung mit einer Frau entsprungen, den Georg und Alwin gemeinsam aufziehen. Als Jan-Michael, mittlerweile 24 Jahre alt, eine Frau zu ehelichen begehrt, wird´s turbulent. Nicht nur, dass Alwin sich irritiert fragt: „Was haben wir falsch gemacht?“ Anna, die Freundin seines Sohnes, ist zu allem Überfluss die Tochter eines erzkonservativen Politikers, für den Homosexualität und Travestie Teufelszeug sind. Weil dieser Herr Schilling, fast wie Schill, und seine Frau ihre künftigen Schwiegereltern kennen lernen wollen, wird die Wohnung von Georg und Alwin auf Jan-Michaels Drängen ordentlich bürgerlich umgerüstet. Außerdem muss seine richtige Mutter her, die sich jedoch fernmündlich entschuldigt, als Annas Eltern bereits vor der Tür stehen. Daraufhin nimmt Alwin/Zaza die Sache auf seine/ihre Weise in die Hand….

Frank Thannhäuser, Intendant des Imperial Theaters und Hamburgs bester Musicalkenner, hat eine wunderbare Inszenierung auf die Ohnsorg-Bühne gezaubert, mit vielen feinen Auftritten eines sechsköpfigen Travestieensembles in einer Vielzahl passender Kostüme mit Federboas und anderen zünftigen Accessoires, die nie überladen wirken. Großartig auch das dienende Personal: Nils Owe Krack als wandlungsfähige Zofe Jakob und Markus Gillich als zunehmend verletzter Inspizient Franz.

Der Schwerpunkt der Inszenierung aber liegt auf der Belastung der Beziehung zwischen Georg und Alwin, bedingt durch den Heiratswunsch ihres Sohnes. Alwin, der beim Auftritt von Annas Eltern einen männlichen Onkel spielen soll, fühlt sich von Georg verraten und als Homosexueller zurückversetzt in zumindest im Travestiemilieu längst überwundene Zeiten bürgerlicher Engstirnigkeit. Erkki Hopf weiß diese Momente anrührend zu spielen. Damit wird „Dat Narrenhuus“ in Zeiten aufkommender Diskriminierung Homosexueller in manchen Ländern leider wieder ein aktuelles Stück.

Aufführungen bis 5. Juli im Ohnsorg Theater

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*