Schauspiel / Vorbericht

Der blaue Engel

„Der blaue Engel“, Komödie Winterhuder Fährhaus
Der blaue Engel

Profes­sor Unrat (Walter Plathe) und die Lola (Stefa­nie Dietrich)

Da wird der berühmte Film­klas­si­ker nach dem ebenso berühm­ten Roman „Profes­sor Unrat“ wohl auf unter­halt­sam-schlüpf­ri­ges Tingel­tan­gel redu­ziert? So könn­ten Thea­ter­freunde und Kunst­be­flis­sene denken. Tingel­tan­gel schon. Dafür steht bereits das Bühnen­bild. Ein großes Karus­sell auf einer eigens für diese Insze­nie­rung instal­lier­ten Dreh­bühne. Bunt wird’s. Rummel­platz lässt grüßen. Doch Regis­seur Klaus Gend­ries ist für seich­tes Boule­vard­thea­ter nicht zu haben. Zwar ist „Der blaue Engel“ nicht seine erste Insze­nie­rung für die Wölffer’schen Bühnen aus Berlin, zu denen die Komö­die in Winter­hude gehört, doch stets hat er Umfeld und wirk­li­che Figu­ren dabei im Blick. „Volks­thea­ter“ nennt er das. Volks­tüm­li­che Figu­ren wie den Kohlen­paul, den braven Solda­ten Schwejk oder Hein­rich Zille hat er so auf die Bühne gebracht. Immer mit Walter Plathe in den Titel­rol­len. „Wir kennen uns seit Jahr­zehn­ten“, erzählt Gend­ries. In eini­gen Fern­seh­se­rien, so im insbe­son­dere für Plathe legen­dä­ren „Land­arzt“, arbei­te­ten sie bereits zusammen.

So ist es ein Selbst­gän­ger, dass Plathe nun auch den Profes­sor Unrat verkör­pert, den Proto­typ des spie­ßi­gen Akade­mi­kers aus der Kaiser­zeit, der an einer Tingel­tan­gel-Tänze­rin zugrunde geht.

In einer Fassung von Peter Turrini, die sich an dem Film­dreh­buch von Carl Zuck­mayer, Karl Gustav Voll­möl­ler und Robert Lieb­mann orien­tiert. „Der Film setzte im Gegen­satz zum Roman von Hein­rich Mann auf die Psycho­lo­gie der Bezie­hung zwischen Unrat und Lola und blen­dete das gesell­schaft­li­che Umfeld des Kaiser­reichs weit­ge­hend aus, das bei Hein­rich Mann im Vorder­grund stand“, erklärt Klaus Gend­ries. „Die Film­pro­du­zen­ten“, so Gend­ries, „waren bemüht, gesell­schaft­li­che Bezüge zu redu­zie­ren.“ Der Film und Turri­nis Version beto­nen die Lebens­tra­gö­die in der Komö­die. Gend­ries hofft sein Publi­kum bei aller rumme­li­gen Unter­hal­tung, unter ande­ren mit den Fried­rich-Holla­en­der-Songs aus dem Film, dafür zu sensi­bi­li­sie­ren, dass „hier ein Mensch zugrunde geht“. Dafür hat er die Figur eines stum­men Clowns ausge­baut, der im Film nur einen kurzen Auftritt hat. Der schaut nur zu, wie das Publikum.

Und wer verkör­pert die verfüh­re­ri­sche Lola, deren Darstel­lung Marlene Diet­rich den Durch­bruch zur stei­len Karriere verschaffte? Man glaubt es kaum: Stefa­nie Diet­rich. Nomen est omen?

Chris­tian Hanke

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