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Der gefrorene Prinz

Tandera Theater und allerhand theater im Fundus Theater
Der gefrorene Prinz

Hier ist der Familienfrieden noch nicht ins Wasser gefallen.

Text: Angela Dietz | Foto: Tandera Theater / allerhand theater

Auf der Bühne des Fundus Theaters dämmert es. Zack! Da reißt es den Prinzen Franz aus seiner Bett-Höhle und er hängt am Drahtseil zwischen König und Königin. Franz baumelt zwischen den streitenden Eltern und fällt in den Fluss.

„Kann man sich entscheiden?“, fragen die Puppenspielerinnen Dörte Kiehn (König/Tandera) und Cornelia Unrauh (Königin/allerhand) das Publikum im ausverkauften Fundus Theater. „Ja!“, schallt es erschreckend schnell von ganz jungen Stimmen. Vielleicht wissen die Kinder zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass es um die Entscheidung zwischen Mutter und Vater geht. Trotzdem erstaunt die prompte Antwort aus dem ansonsten sehr ruhigen, nur zuweilen leise lachenden Publikum. Sind heutige Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren schon so auf Entschlusskraft trainiert?

Doch zurück zur Geschichte nach Christine Nöstlingers gleichnamigem Buch und zum Spiel in der Regie von Elke Schmidt. Links wohnt der Mann mit seinem Lieblingsstuhl, rechts die Frau mit ihrem. Dazwischen fließt der Strom, den sie überbrücken, als sie noch singen: „Froh zu sein bedarf es wenig und wer froh ist, ist ein König.“ Sie spielen und haben Freude mit- und aneinander. An den Torbögen über ihrem jeweiligen Reich hängen blaue, grüne, rosa und rote Herzen. Die Liebe soll vervielfacht werden. Sie bekommen ein Kind.

Aus dem Spiel wird Gewohnheit, am Ende Verdruss. Vergessen, dass es wenig bedarf, froh zu sein, aber es muss wohl das richtige sein. Die Herzen werden abgehängt. König und Königin spielen nurmehr mit dem Kind und spielen dabei den kleinen Franz gegeneinander aus. Alles erstarrt in festgezurrten Rollen, kein Platz und zuletzt kein Spiel mehr, auch nicht mit dem Kind. Das Paar trennt sich in Wut und streitet ums Kind. Wem gehört es? Franz fällt in den Fluss und erfriert fast. Oder ist er vorher fast erfroren, inmitten der erbarmungslosen Zankerei der Eltern, die das Kind aus dem Blick verlieren? Doch wird er vom Inselkönig gerettet, einer schrullig-warmherzigen Figur mit trockenem Humor. Die Geschichte geht für alle gut aus. Am Ende hängt, zögerlich in den Vordergrund gerückt, wieder ein Herz über allen.

Was nach einer zeitgemäßen Familienterrorgeschichte klingt, hat Regisseurin Elke Schmidt zu einer für Vierjährige schön anzuschauenden Geschichte mit märchenhaften Zügen gemacht. Dazu trägt vor allem das Spiel-Duo Cornelia Unrauh und Dörte Kiehn bei, das mit großer Ruhe agiert. Nie wird es zu laut oder schrill. Manchmal ist es auch zum Lachen. Nur einmal „kracht es“, bei der Trennung. Die Puppen mit dem charaktervollen Gesichtsausdruck sind lebendig, fast vergisst man die, die sie führen. Aber immer, wenn König oder Königin allzu garstig werden, können die Zuschauer in die Gesichter und auf die Arme von Unrauh und Kiehn schauen und sich beruhigen: „Achja, ist ja ein Spiel.“

Der Bühnenbau ist ein ausgeklügeltes und liebevoll ausgestattetes Baukastenprinzip (Ausstattung: allerhand und Tandera Theater). Zwei stehpultartige, graue Kästen verwandeln sich mit minimalem Umbauaufwand nacheinander in Schloss, Zimmer, Brücke, Fluss, Insel, Sitzmöbel für die Puppenspielerinnen. Aus ihren unerwarteten Tiefen, Ecken und Laden kommt Erstaunliches hervor, vom Bett für Franz bis zum verschlafenen Inselkönig. All das ist ins Spiel integriert und sanft von Gesang und Akkordeon begleitet. Die Koproduktion von Tandera und allerhand Theater ist eine gelungene Inszenierung für ganz junge Zuschauer zum Thema „… wenn Eltern sich trennen.“ Allerdings ist das Spiel alles andere als belehrend. Wie ein junger Mann im Publikum schmunzelnd bemerkte: „Na, das ist ja wohl auch eine Geschichte für Erwachsene.“

Die Produktion wurde von der Hamburgischen Kulturstiftung und der Rudolf-Augstein-Stiftung gefördert.
Folgetermine (im Rahmen vom Lesefest „Seiteneinsteiger“):
Dienstag und Mittwoch, 30. + 31. Oktober 2012, jeweils um 10 Uhr

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