Text: Hans-Peter Kurr | Foto: Theater in der Speicherstadt, Michael Batz
Dieses Schauspiel, das wir allsommerlich – und in diesem Jahr zum 21. Mal! – in der Speicherstadt genießen können, hat mit Hugo von Hofmannsthals Fassung (außer der dramaturgischen Vorlage, die wiederum einer noch weitaus älteren Fabel entstammt) so gut wie nichts zu tun. An Sätzen wie „Wenn ich ’ne Drohne wär, flög‘ ich zu de Maizière“ können sich nur Zuschauer des 21. Jahrhunderts ergötzen …
Hofmannsthal „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ siedelt zentral zwischen drei Punkten:
„Was das Mittel aller Mittel ist, das Geld, wird uns in dämonischer Verkehrtheit zum Zweck der Zwecke!“ Hugo von Hofmannsthal,1920, Salzburg.
„Der Kommunismus ist die notwendige Gestalt und das energische Prinzip der nächsten Zukunft, aber der Kommunismus ist nicht als solcher das Ziel der menschlichen Entwicklung – die Gestalt der menschlichen Gesellschaft.“ Karl Marx, 1844, Paris.
„Die Erlösung und Errettung jedes menschlichen Individuums liegt in der Hand Gottes!“ Papst Johannes XXIII., 1985, Mexico City.
Bei dem Hamburger Autor Michael Batz ist alles anders. Zu Recht! Gott ist aus dem Himmel verschwunden. Niemand weiß, wohin. Das ändert nicht nur die Auftragslage der klassischen Figuren Tod und Teufel, sondern auch die Zusammensetzung der Gesellschaft: Jedermanns Mutter ist ebenso unauffindbar wie sein Guter Gesell, aus dem Armen Nachbarn wird der Mann vom Flachen Land mit seiner Frau, die gegen Ende an die Stelle der ursprünglichen Figuren „Glaube“ und „Werke“ getreten sind, um Jedermann wenigstens an den Rand des Grabes zu geleiten – ein dramaturgisches Motiv, das wir seit Sophokles‘ „Oedipus in Kolonos“ kennen, worin Theseus den Geblendeten an seine Gruft führt und zum Dank das „Verlorene Wort“ erhält.
Die übrigen Figuren folgen sämtlich mehr oder weniger bekannten hamburgischen Mustern oder solchen aus dem Weichbild der Hansestadt. Jahr für Jahr erneut zu bewundern ist die nachgerade Aktualisierungswut des Autors Michael Batz, die auch 2014 wieder wunderbar ins Kraut schießt und das Publikum begeistert. Neben den qualifizierten Ensemblemitgliedern darf nicht der herrlich und vielseitig begabte Erik Schäffler ungenannt bleiben, der nicht nur die außerordentlich schwierige Aufgabe, nach drei Publikumsseiten ausgerichtet zu inszenieren, glänzend gelöst, sondern auch dem Teufel wiederum souveräne Gestalt verliehen hat.
Zum Schluss der Vergleich zwischen Salzburg und Hamburg von Walter Jens: „Drüben das katholische Salzburg, von Kirchen, Glocken und Max Reinhardts pompösem Theater geprägt, hüben Backstein, Gitter und Luken, dort barocke Schwelgerei und hier Kommerznüchternheit. Der Unterschied könnte größer nicht sein!“
Aufführungen freitags, samstags und sonntags, jeweils 20 Uhr (sonntags 19 Uhr), bis zum 24. August,
Theater in der Speicherstadt, Auf dem Sande 1, Kartentelefon: 040-3696237