Text: Hans-Peter Kurr | Foto: Kerstin Schomburg
Als ich dieses unglaublich faszinierende Stück vor über 20 Jahren mit dem (damals) jungen Nikolaus Paryla zum ersten Mal sah, war ich sicher, dass man es nicht souveräner spielen könne. Jetzt musste ich mich, zu meiner Freude, im Deutschen Schauspielhaus eines Besseren belehren lassen: Stephan Schad macht, mit Hilfe des Regisseurs Max Claessen, aus dem „Underdog“ und Kontrabassisten, dessen zerrüttetes Persönlichkeitsbild Patrick Süskind so genial geschrieben hat, eine Studie, wie sie wirklich präziser nicht sein kann. Was für ein wundervoller Schauspieler. Immer, wenn man denkt, jetzt hätte er den Vorrat an erlernten Facetten erschöpft, die ihm zur Verfügung stehen, überrascht er den Zuschauer mit einer neuen, umwerfenderen. Und das knapp 90 Minuten lang!
Massenerfolge (und Süskinds einziges Theaterstück gehört neben seinem berühmten Roman „Das Parfüm“ dazu) nach fast einem Vierteljahrhundert nachzuprüfen, bedeutet ein höchst aufregendes Unternehmen, erst recht, wenn es einem Schauspieler gelingt, ein derart dichtes Psychogramm, ein Drama ohne Helden und fast ohne Handlung, ja fast ohne Anfang und Ende so adäquat zu instrumentieren. Denn: Thema des Stückes ist eine rein zuständliche Verhaltensweise, ein Mix aus Fatalität, Absurdität, Aussichtslosigkeit, Lieb- und Hoffnungslosigkeit. Hier singt einer sein persönliches Elendslied.
Aber es kommt in dieser Produktion noch besser: Das Team hatte die Idee, einen professionellen Kontrabassisten – sozusagen als Paradoxon, das man Playback-Live nennen könnte – einzusetzen und fand den kongenialen Mitgestalter im Komponisten Henning Kiehn. Durch ihn wird die Klage geschöpflicher Glücklosigkeit zusätzlich in mannigfaltigen und sehr anrührenden Stufungen variiert. Unendlich musikalisch, aber auch witzig.
Mag sein, dass unsere lärmgeplagten Ohren an einem solchen Abend dankbar empfänglich werden für die humanen Nuancen und Schattierungen, der Süskind’schen Grundlitanei – feststeht: Ohne dieses wundervolle Team von Darsteller, Musiker und Regisseur hätte der Abend nicht das werden können, was er ist: Eine Produktion ohne Pathos, aber mit der Gnade einer wirklich großen künstlerischen Tat.