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Der Mantel

Hamburger Sprechwerk
Der Mantel

Ein Pantomime auf Marcel-Marceau-Niveau: Arnold Sarajinski

Text: Hans-Peter Kurr / Foto: Igor Sarajinski

Immer, wenn etwas Spektakuläres geschieht in der nach wie vor von Pfeffersäcken regierten Freien und Hansestadt Hamburg – auch und insbesondere in Sachen Kunst und Kultur – ist die lokale Presse bereit zu ausführlicher Berichterstattung; sei es die von manchem Bürger gemutmaßte absichtsvolle Zerstörung des Bühnenbodens im Deutschen Schauspielhaus von den herabsausenden Kontergewichten, die den Eisernen Vorhang tragen und steuern, durch Gegner des (architektonisch dem über 100 Jahre alten Gebäude aufgepfropften) neuen Bühnenturms oder die daraus resultierende Verschiebung der offiziellen Eröffnung der Ära Karin Beier mit deren Inszenierung „Die Rasenden“ auf den Januar 2014.

Wenn sich allerdings etwas wirklich künstlerisch Hochkarätiges ereignet, glänzt die Hamburger Kulturjournaille meist durch Abwesenheit, weil sich deren Mitglieder nicht vorstellen können oder wollen, dass in den in der Regel etatlosen Off-Theatern der Hansestadt etwas so Großartiges stattfinden könnte wie jetzt im Hamburger Sprechwerk: Arnold Sarajinski zeigt einen Pantomime-Abend anlässlich des 200. Geburtstags des russischen Dichters Nikolai Gogol, der dessen Geschichte „Der Mantel“ nacherzählte – eine Offenbarung!

Die Handlung: „Die winterliche Kälte in St. Petersburg macht Akakij Akakjewitsch zu schaffen. Der verarmte Beamte lässt sich von seinen letzten Rubeln einen neuen Mantel nähen, der ihm überraschend zu mehr Anerkennung und einer Einladung bei seinen Vorgesetzten verhilft. Als aber das schmucke Kleidungsstück gestohlen wird, verlässt ihn wiederum sein Glück. So macht er sich notvoll auf die Suche nach der wärmenden Umhüllung …“

Arnold Sarajinski ist Pantomime-Lehrer an den Hochschulen für Musik und Theater in Bremen und Hamburg. Er hat in dieser Performance, die in Zukunft in weiteren deutschen Theatern gezeigt werden soll, eindeutig Marcel-Marceau-Niveau, das bedeutet: Er ist einer der wenigen bemerkenswerten Protagonisten der hohen Kunst der Pantomime, die auf diesem Level wortlos Geschichten vom Menschen erzählen, gemeinsam mit seinen Kollegen. Anna Sinavska, deren Set in seinem Erzählstil ungemein verblüffend ist; Markus Kiefer als einfühlsamem Sprecher der Off-Texte; den zahlreichen im Programmzettel nicht genannten Komponisten, deren Zuarbeit der Meister der Pantomime schlicht „russische Folklore“ nennt; der einfallsreichen Kostümbildnerin Lubov Redinger; einem Sohn des Meisters; dem präzise arbeitenden Toningenieur Igor Sarajinski sowie der jungen, begabten Sprechwerk-Lichtinspektorin Alisha Barß, die durch präzises Light-Design – gemeinsam mit dem russischen Einrichter Arkadij Jolondz –wundervoll begabt für optische Stimmungen sorgte. Ein Abend, der im Sprechwerk bedauerlicherweise nur einmal gezeigt wurde, dem aber andernorts viele Wiederholungen gewünscht werden sollten. Das Publikum dieses Premierenabends war in seiner Applaussucht nur durch des Meisters sichtbare Sehnsucht nach einem Duschbad zu bremsen.

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