Text: Angela Dietz | Foto: Nikolai Sevke
Wer kennt nicht die Verfilmung des „Wonderful Wizard of Oz“ mit Judy Garland als Dorothy in der Hauptrolle. Eine ganz eigene Sichtweise auf das berühmte US-amerikanische Kinderbuch haben Michael Gmaj und Carola Unser mit den Bond Girls am Lichthof Theater entwickelt. Ihre Oz-Story verhandelt Kapitalismuskritik, Identitätsfragen und Heimatbegriff. In der Regie von Carola Unser bekämpfen Dorothy (Lisa Grosche) und ihre drei Männer, Vogelscheuche (Martin Sommer), Blechmann (Joscha Henningsen) und Löwe (Marc von Henning) die böse Hexe des Westens.
Das Quartett reist auf der Yellow Brickroad, einer auf dem Boden aufgemalten, nicht enden wollenden Spirale, zwischen Stellwand-Hochhäuserschluchten (Bühne: Gesine Lenz) ins Konsumparadies. Die Grundzüge der ursprünglichen Figuren sind beibehalten: einer ohne Verstand, einer ohne Herz, einer ohne Mut und Dorothy, ihrer Heimat durch den Wirbelsturm verlustig. Strohmann sieht punkig aus, Blechmann grau-smart und Löwe hat mal Mähne, mal gar keine Haare (Kostüme: Gunna Meyer). Das Trio wirbelt in diversen Rollen über die Bühne, als Housekeeper, Oz-Vertreter, rockt, rapt und singt auch mal a cappella (Musik: Konstantin Jahn, Liedtexte: Kathrin Ost).
Im Hintergrund melden sich die Hexen auf der Leinwand (Video: Christina Becker), erst die vermeintlich Gute, dann die Böse. Hin und wieder flackert das vergangene 20. Jahrhundert in Schwarz-Weiß auf: Autokolonnen in einer Straßenschlucht, eine Kino-Reklame wie am Times Square kündigt Barbra Streisand als Funny Girl an. Dann wieder sind in fetten bunten Lettern heutige Werbesprüche zu lesen – Zigarettenreklame als Lebensphilosophie. Ihren sattsam bekannten Bildern entkleidet, entfalten die Sprüche eine erstaunliche Wucht.
Alle vier Figuren versuchen zu finden, was ihnen fehlt. Aktuelle gesellschaftliche Verhältnisse sind etwa als 400-Euro-Job im Drogeriemarkt, Essen und Wohnen frei, eingearbeitet. Die Inszenierung wimmelt in Text und Bild von Anspielungen: Moderne Sklaverei in Diensten der Hexe, Wahlen, Traumfabrik Hollywood, Demo mit Dafür und Dagegen, auch Occupy lässt grüßen, die Liebe ist fad und eh nicht echt, weil auch in Marktlogik verhaftet. Aber man weiß nicht so recht, wohin das führt. Es will sich keine neue Perspektive eröffnen, auch keine neue Frage. Die Verweise führen ins Nirgendwo.
Die böse Hexe des Westens, ganz in Schwarz, fetter Lidschatten, Riesenwimpern, kann man als eine von unzähligen Anspielungen und Verweisen lesen. Blöde glotzend und sabbernd, die Unterlippe schief hängend, lallt sie ihre Doofheiten und erinnert in dieser Maske optisch an Liza Minnelli, die berühmte Tochter der berühmten Judy Garland. Genau diese Art von Witz und Anspielung gerät manchmal zu albern. Auch wenn Dorothys drei Reisebegleiter mit ihrer Spielfreude sehr unterhaltsam sind, fehlt es der Inszenierung zu sehr an Tempo, um als schrille Komödie zu wirken.
Nachdem Dorothy und das Trio die Hexe besiegt haben, Stecker raus, und in Oz bekommt jeder, was er wollte, nur in anderer Form: messer(scharfen) Verstand und Lebkuchenherz, Mutsuff und die Weggefährten als Heimat. Doch das ist noch nicht das Ende. Alle präsentieren sich zum Schluss in Affenmasken. Haben sie sich mit ihren Wünschen zum Affen gemacht?