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Der zerbrochne Krug

Die Burg
Der zerbrochne Krug

Dorfrichter Adam (Marc Laade) mit verräterischer Schramme.

Die Aufführungen von Kleists „Zerbrochnem Krug“ seit seiner Entstehung Anfang des 19. Jahrhunderts sind Legion. Kaum ein namhafter Regisseur, der die klassische Komödie nicht inszeniert, kein bedeutender Schauspieler, der den Dorfrichter mit dem beziehungsreichen Namen Adam nicht gespielt hätte. Der Versuch des glatzköpfigen, offenbar sexsüchtigen einsamen Mannes, sich – wie in den Zeiten des Paradieses – wieder mit seiner Eva zu vereinigen, ist eine seit Beginn der Menschheitsgeschichte ebenso legitime wie meist unerfüllte Sehnsucht. Das wusste auch der depressive Selbstmörder Heinrich von Kleist und fasste diese diffizile Situation in ein literarisch-philosophisches Treatment, das später in die Form einer köstlichen Komödie zu formen er die Kraft fand.

Diesen Hintergrund hat auch Michael Jurgons recherchiert, bevor er seine intelligente Interpretation vor einigen Jahren in Parchim inszenierte; im neu eröffneten Theater „Die Burg“ ließ er sich jetzt von der Leiterin der Bugenhagenkirche, Jennifer Rettenberger, zu einem Remake einladen. Eine gute Entscheidung der rührigen Rettenberger, die denn auch zu einem künstlerisch hocherfreulichen Ergebnis führte, das am ersten Septemberwochenende – präsentiert von einer begabten, begeisterten und begeisternden jungen Schauspielertruppe unter dem Namen „die theatermacher“ – im funktionalen Parchimer Bühnenbild Ulrich Schreibers erneut ins Leben gerufen wurde.

Thomas Mann informiert uns in seiner Untersuchung „Um das Unmögliche ringend“ über die Hintergründe der Kleist’schen ver-zwei-felten (sic!) Schaffenskraft: „Heinrich von Kleist war es, wohl wegen eines Fehlers im Sprachorgan, der, wenn er sich einmal in geistige Gespräche mischte, seinen Äußerungen eine unangenehme Härte verlieh. Er wurde sehr leicht von Verlegenheit befallen, stotterte, errötete und zeigte in Gesellschaft fast stets ein unnatürlich verzerrtes, peinlich gezwungenes Wesen. Als dergestalt leidender Künstler aber war er einer der größten, kühnsten, höchstgreifenden Dichter deutscher Sprache, ein Dramatiker sondergleichen, tief unglücklich, um das Unmögliche ringend, von psychogenen Krankheiten niedergeworfen und zum frühen Tod bestimmt, müde seiner Unvollkommenheit, das Bruchstückhafte seiner Individuation ins All zu werfen, als es ‚auf dieser Erde für mich nichts mehr zu erlernen‘ gab!“

Dieser metaphysischen Sehnsucht im „Zerbrochnen Krug“, die das Stück in den Rang einer veritablen Tragikomödie hebt, hat Michael Jurgons feinsinnig nachgespürt. Er spricht, heutigem Zeitgeist gemäß, von der „rasanten Gerichts-Comedy“ und hat in seinen Darstellern begabte Kombattanten, allen voran Anne-Christine Gruntzdorff mit dem ebenfalls so beziehungsreichen Rollennamen Eve und Marc Laade als ungewohnt junger, sehr modulationsfähiger Dorfrichter Adam. Auch die übrigen Ensemblemitglieder sind vorzüglich besetzt und dienen dem Erfolg des Abends, dessen Handlung bei einem der bekanntesten deutschen Schauspiele nicht erzählt werden muss. Bemerkens- und daher erwähnenswert die Dekoration von Zuschauerraum und Foyer der neueröffneten „Burg“ durch die originellen Papp-Plastiken der Silke Thoss und die Schauspielmusik Konrad Thömmes’, dem das musikalische Finale mit einem Original-Mozart-Song zu verdanken ist. Insgesamt ein sehr schöner, erfüllender Schauspielabend.

Text: Hans-Peter Kurr
Foto: Jennifer Rettenberger

Nächste Vorstellungen: 13., 14., 15., 16., 20., 21., 22., 23., 27., 28., 29., 30. September und 4., 5., 6., 7. Oktober
jeweils 20.00 Uhr (sonntags 15.00 Uhr)

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