Der Kurs Darstellendes Spiel des Jahrgangs 10 am Gymnasium Othmarschen hat sich an die Adaption des Romans „Nichts“ von Janne Teller gemacht und setzt dafür auf die Mittel des Tanztheaters. Die Inszenierung von Francoise Hüsges hat einen hohen Anspruch an die jungen Spieler, den diese konzentriert erfüllen. Neben der tänzerischen Gruppenleistung haben einzelne außerdem einiges an Text zu sprechen.
Vierzehn schwarz gekleidete Schüler und Schülerinnen bewegen sich über die fast kahle Bühne. Im Hintergrund schalten die Jugendlichen während der Vorstellung nach und nach Leuchtstoffröhren an – den Berg von Bedeutung. Eine jede Leuchtröhre steht für etwas, das eine besondere Bedeutung für einen von ihnen hat. Denn damit wollen sie Pierre Anthon von seinem Pflaumenbaum herunterholen. Er ist einer aus ihrer Mitte und hat sich entzogen, hat sich davongestohlen, weil er glaubt, dass es nichts gibt, was im Leben wichtig ist.
Klug gewählt ist eine Leiter als Requisit, die an die Stelle des Pflaumenbaums im Roman tritt. Denn Pierre Anthon baut seine Leiter immer wieder von neuem auf und ab, um aus den unterschiedlichsten Positionen seine nihilistischen, rhetorisch geschickten Tiraden auf seine ehemaligen Mitschüler abzufeuern. Diese haben manchmal Mitleid mit ihm, aber vor allem lassen sie sich von ihm immer wieder beeindrucken. Es fällt ihnen schwer, etwas von Bedeutung zu finden.
So versuchen sie zunächst, Bedeutung sichtbar werden zu lassen, indem sie materielle Güter sammeln. Sie tun das im Geheimen. Kein Erwachsener weiß davon. Und dann setzt eine Gruppendynamik aus Zwang, Erpressung und Gewalt ein, wie sie schon öfter in der Literatur und den entsprechenden Verfilmungen dargestellt wurden, etwa in „Lord of the Flies“ von William Golding. Ein einzelner gewinnt Macht, handelt zynisch und brutal und zieht immer mehr Mittäter auf seine Seite. In „Nichts, was im Leben wichtig ist“ bleibt der Zynismus des Täters einer aus Worten. Am Ende jedoch wird er selbst zum Opfer von Gewalt.
Francoise Hüsges und ihre Schüler konfrontieren die Zuschauer zwar mit der Spirale der Gewalt (nach jedem brutalen, erzwungenen Opfer, vom Abtrennen eines Fingers bis zur Vergewaltigung) folgt noch eine Steigerung – doch machen die Choreografie samt symbolischem Tun das Zusehen erträglicher. Allerdings ist die geschilderte Gewaltspirale fragwürdig, doch das liegt wohl am Ursprungstext. Denn diese wird so schwindelerregend immer weitergedreht, dass sie die Schwere der einzelnen Gewalttat quasi einebnet. Ob das realistisch ist oder nicht, kann dabei nicht die Frage sein. Denn das System hinter den Taten kann der Zuschauer oder Leser auch ohne das endlose Steigern der Gewalt verstehen.
Rätselhaft bleibt auch, warum Pierre Anthon ist, wie er ist. Wenig glaubwürdig ist, dass kein Schüler ihn das fragt, und keiner dessen Hintergrund zu beleuchten versucht. Aber auch diese Aspekte sind keine Frage der Inszenierung, sondern des Romans.
Die Schüler-Schauspieler jedenfalls arbeiten sich mit ihren Körpern durch ein gewichtiges Stück, was ihnen gut gelingt. Sie drehen sich um die eigene Achse, winden sich am Boden auf der Stelle oder wälzen sich in der Erde und treten heraus aus der Gruppe, in die sie nach begangener oder an ihnen begangener Tat zurückkehren. Doch erst knipsen sie eine weitere Leuchtröhre an, stellvertretend für die grausame Bedeutung. Am Ende packen sie Pierre Anthon und bringen ihn zum Schweigen, indem sie sich auf ihn legen.
Text: Angela Dietz
Foto: Francoises Hüsges