Text: Angela Dietz | Foto: Andreas Hartmann
Pirol, Kleiber und Gimpel landen auf Planet Erde. „Die Drei vom Planeten Marmel“, Hartmut Fiegen, Uwe Schade und Frank Puchalla, suchen nach Rohstoff: Kindern. Denn der fehlt auf Marmel komplett. Die jüngste Produktion vom Theater Brekkekekex fragt, ob der „Rohstoff“ beim Veredeln eigentlich mitreden darf.
So ernst die Fragen, so komisch Regisseurin Susanne Pollmeiers Inszenierung von Frank Puchallas Stück. Die geringste Emotion bringt die drei marmelanischen Astronauten aus dem Gleichgewicht, besonders Pirol. Der gerät schon bei der Landung in eine Art Gackersprechen und findet erst zurück zu seiner und unserer Sprache, nachdem er zwangsweise den Übersetzungswurm geschluckt hat.
„Fehler! Fehler!“ meldet Pirol beim Blick in die leere Silberbox. Eine Katastrophe bahnt sich an, denn er hat den Simulator vergessen. Uwe Schades Cello, in der Inszenierung die musikalische Stimmungskurve, hämmert dazu. Wie sollen die Drei nun den Rohstoff überzeugen, auf den wunderbaren Planeten Marmel überzusiedeln?
Bevor Pirol die rettende Idee hat, die Simulation nachzuspielen, müssen die Astronauten zunächst ihre zerrütteten Nerven am „Cellomaten“ anschließen. Auf den Bühnen scheint wie in der Straßenmode der lustige Häkelwahn ausgebrochen: Drei knallfarbene Häkelschwanzkabel verbinden sie mit der Beruhigungseinheit.
Ziemlich merkwürdig finden die Marmelaner die Erdlinge, die ewig für die Aufzucht zu brauchen scheinen. Schreckliche Krankheiten und allerlei andere Kompliziertheiten wie Kochen und Zähneputzen bringen die Astronauten wahlweise zum Kopfschütteln oder zum Lachen.
Doch so ganz ohne Gefühl kommt der Marmelaner den Menschenkindern nicht näher. Um die Kinder im Publikum für das tolle Leben auf Marmel zu begeistern, reicht die hölzerne Ansprache samt schiefem Bänkelgesang nicht. Der schroffe Kleiber, der nervöse, aber kluge Pirol und der später feinfühlige, kompromissbereite Gimpel befragen ihr Handbuch. „Die brauchen Kontakt!“ Aha!
Es ist die berührendste Szene, wenn die Astronauten einander zunächst entweder extrem vorsichtig oder sehr eckig und grob anfassen und dann entdecken, wie schön das Streicheln ist. Doch Pirols seliges Schnurrgurren wird sogleich wieder zum Stimmungsnotfall. Gefühle samt körperlichem Ausdruck sind unerwünscht. Denn auf Marmel ist im Unterschied zur Erde alles perfekt und läuft wie am Schnürchen, nein, wie in einer keim- und störungsfreien Dauersimulation.
Und die Kinder, wollen die auf dem perfekten Planeten Marmel leben? Aufgefordert, an Bord zu kommen, bilden tatsächlich rund zwanzig „Einzel-Rohstoffe“ eine Warteschlange vor der Bühne. Ihre Motivation scheint die Aussicht auf das versprochene, vollkommen schulfreie Leben zu sein. Die auf diese Weise etwas boykottierte Dramaturgie lösen die Schauspieler mit einem Kniff: Der Rohstoff ist nicht ausreichend. Es müssten schon 2.000 sein. Deshalb verlassen die Marmelaner die Erde wieder.
Verblüffend an der Inszenierung des Theater Brekkekekex ist die unmittelbar von den Kindern ausgehende Diskussion nach Spielende mit gesprächsbereiten Schauspielern. Insofern funktioniert sie wunderbar und wohl im beabsichtigten Sinne, Kinder an der Diskussion über das Wie und Wofür ihres Aufwachsens zu beteiligen. Die Erwachsenen im Publikum hätten vielleicht gern mehr darüber gewusst, wofür der Rohstoff auf Marmel gebraucht wird. Gern mehr gesehen hätten sie vom perfekten marmelanischen Alltag.