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Die Fledermaus

Wiederaufnahme im Alleetheater
Die Fledermaus

Prinz Orlofsky (Feline Knabe) mit Kellner und Lokomotive

Text: Hans-Peter Kurr / Foto: Joachim Flügel

Es gibt die schönsten Operetten des österreichischen Komponisten Johann Strauß, deren Melodien internationale Ohrwürmer sind, von der „Nacht in Venedig“ über den „Zigeunerbaron“ bis hin zu „Wiener Blut“. Und doch ist sein „Schwanengesang“, diese in ihrer Handlung so undurchschaubare „Fledermaus“, der absolute Welterfolg geworden. Kein Mensch versteht, warum das so ist. Musikwissenschaftler behaupten, an jenem Werk könne man am besten die Entwicklung dieser Musikgattung vom Vaudeville, aus dem ja das Libretto auch gewachsen ist, vorausschauen bis zum Musical des 20. Jahrhunderts. Aber das ist ein musikhistorischer Aspekt, der gewiss vieles für sich hat, was daran interessiert indes den Musikliebhaber im Parkett? Nichts! Der will eine spannende Darstellung des erst im dritten Akt, also retrospektiv, wirklich erkennbaren Handlungsgeflechts, seine Strauß’schen Schunkelmelodien, seine Adele-Soubretten-Seligkeit, deren Darstellerin Katerina Friedland jetzt bei der Wiederaufnahme in Altonas Alleetheater merkwürdiger Weise nur „amputiert“, d.h. heftig eingestrichen, glänzen durfte. Warum? Der Abend ist kurz genug, aber er ist in dieser Fassung, die eher einer Neuinszenierung als der Wiederaufnahme einer bereits erfolgreichen Produktion gleicht, nicht mehr kurzweilig!

Solange die Theaterleitung keine Informationen in die Öffentlichkeit gibt, lässt sich nur vermuten, dass es in der Neufassung von Umbesetzungen nur so wimmelt. Auch die Dramaturgie versagt sich der Beurteilung: Wenn man weiß, dass der Prinz Orlofsky, dessen Partie als Mezzosopran ausgewiesen, also, wie hier geschehen, demgemäß besetzt werden sollte, von den Librettisten Haffner und Genée als Karikatur einer morbiden Gesellschaftsschicht angelegt worden ist, genügt es nicht, eine schöne Frauenfigur (Feline Knabe) mit dem Rücken zum Publikum auf einem Stühlchen zu fixieren, das von einer Elektro-Lokomotive umkreist wird, bis der Dampf (sprich: die Batterie) ausgeht. Haben sich zwei Regisseure, die merkwürdigerweise im Programmzettel genannt sind, gestritten? Vielleicht wollte der eine das Ganze mit spürbarer Heiterkeit instrumentiert wissen, der andere die dämonischen Möglichkeiten nicht unterschlagen, worauf das rätselhafte Opening mit seiner überlebensgroßen Fledermaus hinweist, ein Symbol, das diejenigen, die die Handlung nicht kennen, a priori nicht verstehen, die anderen, die die Operette schon einmal gesehen und gehört haben, nur aus der Retrospektive deuten können.

Aus dieser Perspektive lichtloser Entbehrung gesehen, giert der Zuhörer nachgerade nach einem Fetisch. Aber an diesem Abend ist Amor weit entfernt, ebenso wie der freundliche Eros.

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