Text: Dagmar Ellen Fischer | Foto: Arno Declair
Mit Dreck beschmiert, mit Blut bespritzt und von eigenem Rotz und Wasser besudelt: Am Ende des Hundertjährigen Krieges stirbt Johanna von Orleans einen wenig heldenhaften Tod. Aber einen, der tief berührt – das bewegte Publikum braucht fünf lange Sekunden, bevor es die Hände zum Applaus wiederfindet. Das gut zweistündige Gastspiel vom Deutschen Theater Berlin beeindruckte am 30. und 31. Oktober auf Kampnagel als vierte Aufführung des diesjährigen Hamburger Theater Festivals.
Gemäß historischer Überlieferung steigt das französische Bauernmädchen Johanna im Jahr 1430 zur siegreichen Heeresführerin auf, schlägt die englischen Belagerer in die Flucht und hilft dem Franzosenkönig auf den rechtmäßigen Thron. Knapp vierhundert Jahre später schreibt Friedrich Schiller seine Tragödie über „Die Jungfrau von Orleans“, die ihre visionäre Kraft verliert, als sie sich in einen feindlichen Engländer verliebt und ihr Keuschheitsgelübde ins Wanken gerät. Wer war sie – die von Gott gesandte Retterin oder nur eine fanatische Kriegstreiberin? Kathleen Morgeneyer in der Titelrolle spielt jede Nuance in diesem weiten Bogen aus, obwohl sie sich zwei Stunden lang (fast) nicht vom Platz bewegt. Der schwarzen Magie bezichtigt, endet die Heilsbringerin schließlich als Hexe auf dem Scheiterhaufen, vom eigenen Vater denunziert. Regisseur Michael Thalheimer häutet Schillers Drama bis auf die Knochen – und die bleiben so hässlich vor dem Publikum liegen wie das wahre Gesicht des Krieges.
Hamburger Theater Festival bis 30.11. in diversen Theatern