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Die Schutzbefohlenen

Thalia Theater
Die Schutzbefohlenen

Die Flüchtlinge vertreten ihr Anliegen höchstpersönlich und hoch emotional

Text: Christian Hanke | Foto: Lea Fischer

Es ist eine einzige Aufforderung zu helfen, etwas zu tun, angesichts des immer dramatischer werdenden Flüchtlingselends in Europa: Elfriede Jelineks neuestes Stück „Die Schutzbefohlenen“, das zur Spielzeiteröffnung im Thalia Theater uraufgeführt wurde. Tausende kommen in kleinen Booten aus Afrika übers Mittelmeer zu uns, und wir haben keine Antworten. Einige von ihnen stehen in der Inszenierung von Nicolas Stemann auf der Bühne und erheben bittere Vorwürfe an das Publikum, das hier stellvertretend für alle Hamburger, ja Europäer sitzt. „Was haben wir getan, dass ihr uns in Angst haltet?“, fragt einer. „Keiner schämt sich dafür“, sagt ein anderer.

Das sind die beklemmenden, bewegenden Momente der Inszenierung, wenn die Betroffenen so direkt ihre Wut äußern oder ihre Geschichten erzählen. Oder wenn die drei Thalia-Schauspieler Felix Knoop, Daniel Lommatzsch und Sebastian Rudolph versuchen, in übertriebener Freundlichkeit mit einem Flüchtling ins Gespräch zu kommen und es immer wieder auf Englisch versuchen, obwohl ihnen der Angesprochene beharrlich auf Deutsch antwortet. Wie wir Europäer an Bildern von den Flüchtlingen festhalten und sie damit mitunter abwehren, zeigen die Thalia-Schauspieler, vor allem in unnachahmlicher Weise Barbara Nüsse, wenn sie vornehme Pöseldorfer spielen, die mit spitzem Hamburg-S zu begründen versuchen, dass Flüchtlinge nicht in ihr Reichenquartier gehören. Wo sollen die denn einkaufen?

Das sind Höhepunkte in einer Inszenierung, die sich stets bemüht, das Flüchtlingsproblem direkt ans Publikum weiterzugeben, sich in dieser Einseitigkeit aber auch erschöpft. Wenn Knoop, Lommatzsch und Rudolph zu Beginn Texte sprechen, die das Flüchtlingsproblem deutlich und direkt thematisieren, so ermüdet es trotz der gut gewählten Inhalte irgendwann. Wenn die Flüchtlinge Jelinek Texte sprechen, befremdet es. Theatral ist ohnehin wenig in Stemanns Inszenierung, mehr Agitprop für die Sache der Flüchtlinge. Eine Inszenierung zum richtigen Zeitpunkt ohne Theaterglanz. Die nach jeder Vorstellung angebotenen Tischgespräche mit den mitwirkenden Künstlern sind deshalb der wichtigere Teil des Abends.

Weitere Aufführungen: 11.10. (20 Uhr), 12.10. (19 Uhr), 1.11. (14 und 20 Uhr), 2.11. (19 Uhr), Thalia Theater

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