Text: Angela Dietz / Foto: J. Flügel
Shakespeares komplexes Stück „Der Sturm“ für Kinder zu inszenieren, ist eine Herausforderung, darüber können Zauberei, Geister und Naturgewalten – allesamt auch Ingredienzien von Märchen, die man Kindern vorliest – nicht hinwegtäuschen. Jetzt hat sich das Theater für Kinder an eine Fassung mit Musik und Tanz für ein Publikum ab fünf Jahren gewagt.
Autorin Barbara Hass und Regisseurin Birgit Scherzer haben die Ursprungserzählung belassen, wie sie ist. Der aus Mailand von seinem Bruder Antonio (Norman Wong) verbannte Herzog Prospero (Maximilian Popp) lebt mit seiner Tochter Miranda (Uta Krüger) auf einer Insel. Dort herrscht er mithilfe aus Büchern erlernter magischer Kräfte, an seiner Seite Luftgeist Ariel. Sein wilder und böser, aber von ihm versklavter Gegenspieler ist Caliban.
Prospero, der Zaubermeister, lässt seine Mailänder Verwandten samt Sohn Ferdinand mit ihrem Schiff in einen Sturm geraten und auf seiner Insel stranden. Doch ein Grüppchen Schiffbrüchiger weiß vom Überleben der anderen nichts. Fortan entspinnt sich eine Geschichte voller Streit – mittendrin die erblühende Liebe zwischen Miranda und Ferdinand – während deren Fortgang man, im Original auf jeden Fall, lange nicht weiß, was Prosperos Ansinnen ist: Rache, Versöhnung, Umsturz?
Das Bühnenbild von Änn und die aufwändige Technik schaffen üppige Szenenbilder mit kleinen und großen Ausstattungsdetails, die gut zur Zauberinselwelt passen: ein sichtbarer Theaterblechdonner, ein wogend getanztes Tuchmeer, zwei verhexte Gestalten, die im Boden versinken, bunte Vögel, Fabelwesen und Fische sowie eine Grottenbadewanne, mit der alle vortrefflich spielen, von Doris Pigneters Caliban bis zum Schiffsjungen.
Die fantasievollen, manchmal witzigen Kostüme von Barbara Hass passen gut in dieses Bild. Während Jana Lous Luftgeist Ariel im Silberkostüm über die Ebenen fährt, gleitet und tanzt, kriecht, springt und windet sich Caliban im gelben Wurmkorsett. Miranda tanzt ihre naive Verliebtheit in einem zarten Volant-Kleid mit Blumenmuster. Allerdings sind die männlichen Figuren weniger bunt gekleidet.
So schön und bunt die Bilder sind, so schwierig könnte es für Fünfjährige sein, dem Fortgang der Handlung zu folgen. Dass Maren Meyer, die als Königin Alessia überzeugend komisch mit ihrer Üppigkeit spielt, ihren Sohn Ferdinand vermisst und für tot hält, ist gut zu verstehen. Gleiches gilt für die Verliebtheit des jungen Paares, Miranda und Ferdinand. Aber warum Norman Wongs Kapitän Stephano, der Schiffsjunge und Caliban ständig streiten, vergisst man fast. Denn die Szenen der beiden stark hamburgernden Seemänner zeugen zwar von der großen Energie der beiden Schauspieler, nehmen aber zu viel Raum ein.
Mit Prosperos Zerrissenheit, wie er mit der jungen Liebe und seiner fiesen Verwandtschaft umgehen soll, hat man nicht so viel Mitleid, wie die Geschichte eigentlich hergibt. Denn sie gerät zu sehr in den Hintergrund. Alle und alles könnte der Magier zerstören und lässt doch am Ende die Menschenliebe siegen.
Otwin Biernats Ferdinand ist ein sanfter Hippie, dem man die Verliebtheit abnimmt. Eine Skateboardfahrt symbolisiert seinen von einem Zauberspruch ausgelösten Traumwandel.
Sehr schade, dass Tjaard Kirsch nicht mehr aus den musikalischen Möglichkeiten, die die Geschichte bietet, in der Inszenierung umgesetzt hat. Warum etwa trägt ein Schauspieler dauernd eine Gitarre mit sich herum, die er kaum spielt? Christiane Steins Flöte, dazu Klangstäbe und Kleinstperkussion, sorgen klangmalerisch für magische Stimmung, aber es gibt kaum Songs, nichts Durchkomponiertes. Besucher des Theaters für Kinder konnten in anderen Inszenierungen schon deutlich spannenderer Musik folgen.
Shakespeares Sprache heute kleinen Kindern vorzusetzen, wäre eine Zumutung. So ist es notwendig, den Text zu übertragen. Allerdings gibt es zuweilen starke stilistische Wechsel. Einige Passagen dürften für Fünfjährige schwierig zu verstehen gewesen sein.
Mit der „Zauberinsel“ bietet das Theater für Kinder eine bunte und turbulente Geschichte, der etwas mehr dramaturgische Klarheit nicht geschadet hätte.
Aufführungen bis 31. Januar, Theater für Kinder, Kartenbestellung und Information: Tel. 38 25 38