Text: Sören Ingwersen | Foto: Armin Smailovic
Fernsehen im Großformat. Bilddiagonale: zirka 20 Meter. Eine Telenovela im Thalia Theater. Seichte Musik säuselt im Hintergrund. Hermia und Lysander gestehen sich ihre Liebe. Der Vater ist verärgert, weil er Hermia bereits Demetrius versprochen hat, der seinerseits von der schmachtenden Helena verfolgt wird. Der Stoff, aus dem die Serien sind. Nur dass dieser 400 Jahre alt ist und aus der Feder Shakespeares stammt.
Stefan Pucher inszeniert „Ein Sommernachtstraum“ als Medienspektakel und beginnt mit einer Filmsequenz. Das liegt nahe, hat doch Shakespeare selbst den theatralen Aspekt seiner Komödie deutlich herausgearbeitet. Es ist Elfenkönig Oberon, der wie ein Regisseur das Schicksal der beiden jungen Liebespaare lenkt.
Dass Pucher den Denker und Lenker Oberon (Bruno Cathomas) als begriffsstutzigen Choleriker im SM-Kostüm auftreten lässt, ist pikant. Ihm zur Seite Titania (Sebastian Rudolph) als kaltschnäuzige Drag Queen. Abgesehen haben es beide auf einen blonden Lustknaben (Florian Weigel), der im Unterholz des Waldes posiert. Dort, wo auch die beiden Liebespaare durchs Blätterdickicht turnen (Bühne: Stéphane Laimé), wo die Liebestropfen von Oberons Handlanger Puck (Jens Hatzer) die Begehrlichkeiten in ungeahnte Richtung lenken, man vor ungewollten Zudringlichkeiten flüchtet, sich Beleidigungen an den Kopf wirft und leidenschaftliche Liebesschwüre gibt.
Mit sichtlichem Vergnügen an der Komik fehlgeleiteter Gefühle zeigen sich die Darsteller in Bestform: Birte Schnöink macht aus ihrer Hermia ein prüdes Weibchen, das auch mit ihrer 80er-Jahre-Mode (Kostüme: Marysol del Castillo) der Zeit hinterher hinkt. Marina Galic wirft sich Demetrius (Sebastian Zimmler), der nichts von ihr wissen will, so schamlos an den Hals, dass man nicht weiß, wen von beiden man mehr bemitleiden soll. Und wenn Rafael Stachowiak die Shakespeare‘schen Reime im Stil eines Poetry Slammers rappt, ahnt man, dass jugendliche Hormone ähnliche Liebeswirrungen erzeugen können wie Pucks Zaubertrank. Puck ist dabei der einzige, der einen klaren Kopf behält. Mit ruhigem Sprachfluss und hintersinnigem Lächeln formt Jens Harzer eine überlegene, fast diabolische Figur.
Darstellerkönig des Abends jedoch ist Jörg Pohl in der Rolle des Zettel. Als Hauptfigur jenes Laientheaters, das als Stück im Stück im „Sommernachstraum“ immer für größtes Vergnügen sorgt, überzeugt er mit einer urkomischen Mischung aus Selbstüberschätzung und Kompetenzmangel. Pohls spätere Verwandlung in einen Esel setzt dem noch die Krone auf. Grunzend und hufscharrend verkörpert er nun das begriffsstutzige Urvieh schlechthin und lässt sich möhrchenknabbernd von einer lüsternen Titania begatten.
Dass man für die Szenen der Laienspielgruppe, angeführt von einer kernigen und wandlungsfähigen Sequenz (Gabriela Maria Schmeide) noch Jacques Palminger und Heinz Strunk von Studio Braun verpflichtete, ist eher ein zierendes Sahnehäubchen auf diesem prickelnden Gefühlscocktail. Auch fragt man sich, warum Rudolph in der Rolle der Titania mehrere Gesangseinlagen gibt, die die dichte Dramaturgie des Stücks mit Revueelementen verwässern. Vielleicht um uns daran zu erinnern, dass die Welt eben doch nur eine Bühne ist. Hätten wir aber auch so gemerkt.