Text: Angela Dietz / Foto: Sinje Hasheider
Wie im Flug vergeht Clara Weydes fast zweistündige Inszenierung von Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ in der kleinen, eckigen Arena im Jungen Schauspielhaus an der Gaußstraße. Die Komödie um Irrsinn und Lust der Liebe überzeugt hier mit körperbetontem, manchmal fast artistischem Spiel eines Schauspieler-Quartetts, das vor Spielfreude nur so strotzt. Gabriel Kähler, Katherina Sattler, Philipp Kronenberg und Sophia Vogel verkörpern, sprechen, singen und tanzen das ganze Figurenarsenal der Shakespeare’schen Komödie.
Zunächst erstürmen vier schwarz gewandete Schauspieler im Laufschritt die quadratische Spielfläche. Sie greifen sich ihren Koffer, aus dem sie in den kommenden knapp zwei Stunden alles nehmen, was sie an Kostümteilen und Requisiten brauchen. Das Spiel beginnt. Das Quartett spricht als Chor und in Versen: Die Liebe ist nie einfach. Jeder wendet sich mit eigenem Gestus und Ton, doch gleichem Text, an jeweils ein Viertel der Zuschauer, bevor er im Uhrzeigersinn weiter wandert.
„Die Liebe sieht nur, was ihr gefällt“, sagt Helena (Sophia Vogel), die sich nach Demetrius verzehrt, doch der sieht nur Hermia (Katherina Sattler), die sich wiederum mit Lysander einig ist zu heiraten. Doch das wiederum dürfen sie nicht, denn Hermia ist Demetrius versprochen. Der Helenas Monolog folgende, vierstimmige Gesang „And therefore love is said to be a child“ ist wunderschön und anrührend.
Helena beschließt, Hermia und Lysander zu verraten. So ist die Liebeslage, bevor alle im Wald von den Elfen verzaubert werden und daraufhin hochkomisch jedweden begehren und es mit jedwedem tun, der da im Wald so herumliegt. Diese Liebesszenen sind auf eine verspielte Weise frivol, die auch 13-Jährige anschauen können, weil sich die Körper zwar stehend umeinander winden, auch mal aufeinander liegen, aber nie eindeutig einen Geschlechtsakt imitieren, sondern immer Tanz und Spiel bleiben.
Auch die zunächst leiseren, somnambulen Momente im Wald überzeugen. Wenn Philipp Kronenbergs irrer Puck Hermia, Lysander und Demetrius im Schlaf mit dem Schleim einer weißen Calla beträufelt, verschluckt man sich fast vor Lachen.
Oberons (Gabriel Kähler) tatsächlich ein wenig unheimliche, mit schwarzen Fecht-Masken ausgestattete Elfen überraschen mit ihrem nächtlichen Raubkatzen-Spiel ohne Worte. Nur Fauchen und Knurren sind zu hören, während sie mit Zweigen, Blättern und Bäumchen, die sie aus der Bodenklappe holen, einen Wald abstecken – bis die eine oder andere ihrer Gesten beim Schleichen um die Schlafenden doch wieder die Zuschauer-Mundwinkel nach oben treibt.
Die Textfassung in Versen – bei der, ebenso wie bei der Übersetzung von Angela Schanelec, gleich eine Reihe von Theaterleuten am Werk war – ist dramaturgisch harmonisch gekürzt und sprachlich für heutige, junge Ohren gut verständlich. Nur wenn die Handwerker-Laientruppe (hier eher eine Studentenclique) ihr Spiel im Spiel probt, verlässt der Text das Versmaß.
Köstlich, wie die Studenten – der Angeber, die beleidigte Leberwurst, die Sozialtante und die Besorgte – eine klamottenhafte Aufführung vorbereiten. Der eine oder andere junge Zuschauer dürfte sich bei dieser Gruppendramaturgie oder -dynamik an seine eigene Clique erinnert fühlen, die alten ebenso.
Die eigens von Roman Keller komponierte, zeitgemäße Musik ist gut abgestimmt und wohl dosiert. Sie überbrückt schnelle Szenenwechsel, kleine ins Spiel einbezogene Umbauten. Ein leiser, wabernder Orgelsound gibt das kurze Startsignal. Mit Bassbeats unterlegte Streicher erinnern an sinfonische Filmmusik; diese dramatisiert Oberons und Titanias (Katherina Sattler) beeindruckenden und witzigen Kampf-Paar-Tanz um die Macht.
Am Ende ist der Zauber wieder aufgelöst, die Paare finden zueinander. So lustig das Verwirrspiel auch war, so komisch der Schlager „Die Liebe ist ein seltsames Spiel“. Die musikalischen Reibungen in der Bearbeitung für die vier Stimmen durchbricht nicht nur die Albernheit des Schlagers, sondern steht auch für den Alb im Sommernachtstraum von Liebe.