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Heimliches Flüstern

Opernloft
Heimliches Flüstern

Sangliche Selbstbetrachtung: Mariya Selenznyova und Sophiya Palamar

Text: Sören Ingwersen | Foto: Silke Heyer

Frühlingsstimmung im Opernloft: Leinwandstreifen hängen von der Bühnendecke und dienen als Projektionsfläche für Wald und Flur. Vögel zwitschern. Von Frühlingsgefühlen beflügelt sind auch Clara und Robert Schumann. Frisch verliebt tauscht das berühmte Musikerpaar überschwängliche Liebesbekundungen aus. Seine Geschichte ist es, die Regisseurin Inken Rahardt als inszenierten Liederabend auf die Bühne bringt. Mit von der Partie: Johannes Brahms, der als junger Hausfreud bald ebenfalls tiefe Gefühle in Clara wachruft.

Hauptfigur aber – und auch als einzige auf der Bühne sichtbar – ist Clara. Und das gleich in dreifacher Ausführung. Die Sängerinnen Mariya Seleznoyova (Sopran) und die Sophiya Palamar (Mezzosopran) sowie Pianistin Makiko Eguchi – alle im braunen Strickkleid und mit derselben Frisur – führen uns durch eine wunderbare Zusammenstellung von Liedern und Klavierstücken der drei Protagonisten. Und diese wird zum musikalischen Spiegel des Lebens, Liebens und Leidens von Clara, Robert und Johannes. Deren Gefühlswelt überträgt Rahardt in eine dezente, aber berührende Choreographie von Pose und Bewegung. Neben den projizierten Liedtexten erhellen auch Briefe und Tagebucheinträge die seelische Verfassung der Schreiber: Brahms’ grenzenlose Zuneigung zu Clara, Roberts Depressionen und geistige Umnachtung, Claras Hin-und-her-gerissen-Sein zwischen Liebesverlangen und ehelicher Fürsorge.

Erstaunlich, wie gut die Stimmen der beiden russischen Sängerinnen sich in diesem Wechselspiel der Emotionen ergänzen. An der sauberen Diktion darf sich manch Muttersprachler noch eine Scheibe abschneiden. Am Klavier beweist Makiko Eguchi nicht nur Einfühlungs-, sondern auch Durchhaltevermögen, ist sie doch fast ohne Pause an den Tasten tätig. Der unmittelbare Wechsel von der stürmischen Fantasie zur gezähmt-anmutigen Liedkunst gelingt ihr spielend.

Und dann gibt es da noch diese wirklich erschütternd-schönen Momente, wenn Schumanns „In der Nacht“ aus dem Spanischen Liederspiel als ungemein inniges Damenduett erklingt – obwohl das Stück im Original für Sopran und Tenor notiert ist. Oder wenn die Nachricht von Roberts Tod in Brahms’ schlichtes Wiegenlied mündet. Zu diesem Zeitpunkt haben wir alle Jahreszeiten durchlebt, hat sich die Bühne in eine Winterlandschaft verwandelt. Es folgen zwar noch vier Stücke, aber schon hier hätte der Abend ein ergreifendes Ende finden können.

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