Text: Dagmar Ellen Fischer / Foto: Rasande Tyskar
Der Hamburger Kiez ist nicht nur als Sexmeile berühmt. Seit Monaten machen auch die Esso-Häuser Schlagzeilen. Dem Gebäudeblock hinter der legendären und inzwischen abgerissenen Esso-Tankstelle auf St. Paulis Spielbudenplatz droht nun ebenfalls der Abriss. „Entmietete, Entfernte, Verzogene und Verscheuchte“ wehrten sich zunächst und bekamen gut hörbare Verstärkung: Sylvi Kretzschmar, Choreografin und Regisseurin, gestaltete einen lautstarken Protest mit einem zehnköpfigen Frauen-Megaphon-Chor. Der fand nun den Weg von der Straße auf die Bühne und hatte passenderweise am Demo-Tag schlechthin, dem 1. Mai, Premiere auf Kampnagel als „Esso Häuser Echo – ein Nachruf“.
O-Töne von Betroffenen beschallen megaphonverstärkt die Halle, wechseln zwischen kämpferischem „Ich hab’ Lust, die wahnsinnig zu nerven“ und resigniertem „Stoppen lässt sich’s natürlich nicht.“ Rhythmisiert, wiederholt und als Kanon wird aus den Sätzen ein mehrstimmiger Sound. Wie Klageweiber sehen die Frauen aus, wenn sie abwechselnd auf den Boden und den eigenen Brustkorb schlagen. Die Megaphone verwandeln sich in ihren Händen wahlweise in eine Waffe, einen bedrohlichen Schlund oder mahnende Glocken; suchend nach unten getragen, sehen sie aus wie Geigerzähler, die den Grad der (gesellschaftlichen) Vergiftung melden könnten. Dazu passt Sirenengeheul, das vor Angriffen im Kriegsfall warnt. Der akustischen Bedrohung ging jene vom „Kaputtbesitzen“ voraus, also das gezielte Vernachlässigen der Häuser, denn dann klappt es auch mit der Abrissgenehmigung. Es gibt wenig Hoffnung für die 107 Wohnungen, die kleinen Geschäfte und Clubs am Spielbudenplatz.
Weitere Vorstellungen: 24. und 25.5. je 21 Uhr, Spielbudenplatz, Eintritt frei