Kritik / Schauspiel

Familienfest – allens Traditschoon, oder wat?

Generationenclub im Ohnsorg Theater

Familienzusammenführung auf Platt: Generationenclub im Ohnsorg Theater

Text: Dagmar Ellen Fischer / Foto: Sinje Hasheider

Ein Abend, sieben Frauen, acht Meinungen: Wenig feierlich geht’s zu, als sich sechs Erbinnen in der dörflichen Heimat um ihre betagte Großtante versammeln (müssen), die ihr Vermächtnis gern noch zu Lebzeiten weitergeben will. „Familienfest – allens Traditschoon, oder wat?“ nennt die Crew des Ohnsorg-Generationenclubs ihr 60-minütiges Stück, das als biografisches Projekt unter Beteiligung von begabten Amateuren und mit professioneller Anleitung entstand.

Hedi, über 90, möchte ihre Familie noch einmal um sich haben. Ein Fotoalbum auf den Knien, erinnert sie sich in ihrem gemütlichen Ohrensessel an die regelmäßigen Streitereien ihrer beiden Nichten, die Macken ihrer Schwägerin, die anstrengende Kusine und die verständnisvolle Großnichte. In einem langen, sehr lebendigen Monolog teilt Hedi witzige und unangenehme Momente aus der Vergangenheit mit dem Publikum. Als die Familienmitglieder wenig später nach und nach eintrudeln, haben die Zuschauer schon ein Bild von jeder Einzelnen vor Augen. Dabei helfen auch die auf der Rückwand in einen großen Bilderrahmen projizierten Fotos, die tatsächlich aus den privaten Alben der Darstellerinnen stammen.

Für das Treffen hat sich die vitale Gastgeberin „wat utklamüstert“: Ein Rätsel muss gemeinsam gelöst werden – die Betonung liegt auf GEMEINSAM! Und natürlich ist das Knacken der Aufgabe nur zweitrangig, denn ihr geht es eigentlich darum, dass sich die so unterschiedlichen Temperamente nach jahrelanger Kontaktvermeidung wieder zusammenraufen.

Die Rückkehr ins Heimatdorf lässt zunächst alte Konflikte wieder aufplatzen, die sich im Kern allesamt um das Reizthema Tradition drehen – die einen schätzen sie, andere begehren dagegen auf. Der Stadt-Land-Gegensatz spiegelt sich dabei passenderweise (auch) in einer abwechslungsreichen Mischung aus Hoch- und Plattdeutsch.

Nachdem die persönlichen Haupt- und Nebenkriegsschauplätze ausreichend bespielt wurden, glätten sich die Wogen allmählich bei einer Thematik: Kinderspiele! Die Ältesten haben noch mit den „glänzenden Granatsplittern“ aus dem Zweiten Weltkrieg gespielt, den Nachgeborenen muss man erklären, was Granaten waren. Umgekehrt wird die Jüngste für ihr „Spiel“ am Handy gerügt, kann aber den Älteren technische Hilfestellung bei deren Mobilfunkgeräten geben.

Schließlich finden alle doch noch einen gemeinsamen Nenner: das Tanzen. Ob zu Jazz- oder Popmusik, ein gemeinsamer Rhythmus stellt sich ein. Doch viel entscheidender ist, plötzlich entsteht auch ein gemeinschaftliches Familiengefühl.

Mit zum Teil umwerfender Präsenz verkörpern die Darstellerinnen ihre unterschiedlichen Frauenfiguren. Über knapp zwei Spielzeiten hinweg haben sie an diesem Projekt festgehalten, unterstützt von der Autorin Ulrike Syha, der Dramaturgin Anke Kell und insbesondere von der Regisseurin Julia Bardosch. Aus dem Rohmaterial – persönliche Erinnerungen, eigene Sprache, szenische Improvisationen – ist ein sehenswerter Abend geworden.

Bis 29.8., Ohnsorg Theater, Studio, Heidi-Kabel-Platz 1, Telefon 35 08 030 

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