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Fantasies that matter. Images of Sexwork …

Sommerfestival Kampnagel
Annie Sprinkle

Anatomie eines Pin Up Girls – Annie Sprinkles selbstkritische Sicht

Text: Dagmar Ellen Fischer | Foto: Annie Sprinkle

Sex in allerlei Spielarten auf der Bühne. Aber weder vor zahlendem Publikum noch auf dem Kiez in St. Pauli, sondern während des Sommerfestivals auf Kampnagel bei freiem Eintritt. Annie Sprinkle macht‘s möglich – und die Menschen rasteten aus!

Was eigentlich nur als Teil des theoretischen Rahmenprogramms zum Sommerfestival geplant war, entpuppte sich als Publikumsmagnet: Die Konferenz zu „Fantasies that matter. Images of Sexwork in Media and Art“, die Annie Sprinkle am Freitagabend mit ihrem Busen-Ballett eröffnete; dabei ließ sie ihre Brüste tanzen, leckte und bewegte sie wie zwei am Körper festgewachsene, bewegliche Puppen. Am Samstagabend dann die begehrten Einsichten in die Praxis unter dem Titel „My Life as a Metamorphosexual Whore. Always Recreating my Sexworker Self“. Großes Gedränge schon vor der (zu) kleinen Kampnagel-Halle, drinnen wildes Gekreische, noch bevor die Ikone der Sexworker erneut auftritt – im bodenlangen Kleid mit enormem Dekolleté, wie ihre Fans sie kennen und lieben. Davon gibt es offensichtlich viele, denn einige Wartende mussten leider draußen bleiben.

Begleitet von Projektionen – einem hochhaushohen Penis neben Wolkenkratzern – erzählt Annie Sprinkle aus ihrem bewegten Leben als Prostituierte, Porno-Darstellerin, Bühnenkünstlerin und Kämpferin für die Rechte von Sexarbeitern in den USA und nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn sie von Oral- und Öko-Sex spricht. Auch Fakten hält die promovierte Wissenschaftlerin bereit: Auf über fünf Liter geschlucktes Sperma kommt sie während der 22-jährigen Zeit als Prostituierte mit Blow Jobs, rund 4.000 Menschen ließ sie in ihre Gebärmutter schauen. Dabei sei sie schüchtern und mit 17 noch Jungfrau gewesen, sie habe sich bewusst von ihrem richtigen Namen Ellen Steinberg befreit, um sich in die hemmungslose Annie Sprinkle verwandeln und ihre sensationelle Körper-Karriere starten zu können. Für den Höhepunkt des Abends sorgen dann 15 Huren unterschiedlichen Geschlechts in einem Sex-Ritual: Fantasievolle Masturbationspraktiken sorgen für ein Anschwellen des Lust- und Geräuschpegels, Dildos werden vaginal, Bananen anal eingeführt, Annie Sprinkle selbst reibt sich an einem frisch aufgeschütteten Erdhügel. Neugierige aus dem Publikum geben sich vor der Bühne die Taschenlampe in die Hand, um damit in die per Spekulum geweitete Vagina eines Transsexuellen zu leuchten. Öl und Seifenschaum dienen ebenso wie sich steigernde Musik zur Ganzkörper-Stimulation, bis sich die Energie in einem kollektiven Orgasmus entlädt. Handy-Fotos und -Filme waren ausdrücklich erlaubt, und so stürzen viele Zuschauer nach vorn, während andere die Akteure mit Rasseln und Rufen anfeuern; nur wenige kichern verlegen. Nach neunzig Minuten haben alle „Neues über Sex gelernt“, wie eine Zuschauerin ihre Erwartung formuliert – die sich mehr als erfüllte.

Internationales Sommerfestival auf Kampnagel bis 24.8., www.kampnagel.de

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