„Sterntagebuch: Wir schreiben das Jahr 2400. Zwischen den Planeten Isis Bela 12 und Osiris Tetra Pak stehen die Zeichen auf Krieg.“ So in etwa hätte der zweite Teil der „Zauberflöte“ im neuen Opernloft in der Innenstadt anfangen können. Bestens zur betonkühlen Architektur der Bühne im Springer-Haus an der Fuhlentwiete passend, kommt nämlich die Fortsetzung der berühmten Mozart-Oper im Gewand eines Science-Fiction-Abenteuers daher, mit saftig modernisiertem Text. Den zu modernisieren, wenn man den Einlassungen des Hauses folgt, geradezu nötig war. Denn Emanuel Schikaneder hatte in seinem Wunsch, an den Erfolg seiner von Mozart 1790/91 vertonten Zauberflöte anzuschließen, ein schon seinen Zeitgenossen schwer verständliches Werk verfasst. Als er zudem nach Mozarts Tod die Musik dem damals zwar beliebten, aber doch weitaus weniger genialischen Peter von Winter hatte überlassen müssen, verschwand die Fortsetzung der enorm populären „Zauberflöte“ bereits wenige Jahre nach ihrer Uraufführung im tiefsten Fundus.
Nun also frisch entstaubt und mit frechem Text von Sören Ingwersen bestückt, feiert die gefällige Oper über Weltenkampf und Liebesleid ihre Auferstehung. Es wird viel geredet in dieser Acht-Rollen-Geschichte, die den alten, fortwährenden Zwist zwischen Sarastro und der Königin der Nacht, zwischen Aufklärung und Mystik heraufbeschwört. Pamina und Tamino im Raumfahrt-Look beschweren sich vergeblich, dass sie erneut Prüfungen bestehen sollen, um sich in ihrer Ehe zu finden. Doch wieder geht’s ins Labyrinth, das sich ganz zeitgemäß als in die Raum-Zeit-Dimension verlängert entpuppt. Somit geht’s drunter und drüber – mal unter, mal auf der karg dekorierten Bühnenpodesterie – mal mehr auf der Erde, mal mehr auf dem Mond.
Und immer wieder verführen die vier Darsteller in ihren jeweiligen Doppelrollen mit schönen Arien. Oft genug, dass die Musik dem Zuhörer fast bekannt erscheint. Doch immer ist sie eigen. Von Winter hat sich klug einer musikalischen Zitatnähe nicht verschlossen, bleibt aber selbständig und bereitet damit ein Hörvergnügen, das zwischen Vertraut- und Fremdheit schwankt – hier unter Markus Brukers Leitung auf Klavier, Flöte und Klarinette reduziert. Theresa Derksen zeigt ihre Pamina als würdige Koloraturtochter der Königin der Nacht. Sie hat in Thomas Briesemeister einen stimm-adäquaten Tamino an ihrer Seite – und vor allem den Mann, der sich von den Finten der Königin nicht täuschen lässt und die entführte Liebste aus den Klauen der wild gewordenen Mutter (furios und stimmgewaltig: Georgia Jamieson Emms) befreit. Wie ein Fixstern überstrahlt Alexandra Hebart mit ihrem klaren und wohl artikulierenden Mezzosopran als Sarastro das Szenario. Er ist die starke Figur, die in Nicola Fellmanns leichthändig wirkender Inszenierung die Fäden zusammenhält. Und sich vor den manchmal fast überstarken Background-Projektionen von Spruchblasen und Weltallbildern besonders würdig behauptet.
Übrigens: Den Opernspaß gibt es in Kindervariante regelmäßig auch als „Zauberflötchen“.
Das neue Opernloft, Fuhlentwiete 7, 20355 Hamburg, Telefon: 25491040, www.openloft.de
Text: Oliver Törner
Foto: Silke Heyer