Kinder & Jugend / Kritik

Gelb und Rosa

Julia Hart im Fundus Theater
Gelb und Rosa

Wie sind wir gemacht? Rosa (Eva Pauline Loska) und Gelb (Johannes Nehlsen) können prima streiten

Text: Angela Dietz / Foto: Ina Oertelt

Woher kommen wir eigentlich? Sind wir gemacht oder bloßer Zufall? Dieser existenziellen Frage widmet sich Julia Harts Inszenierung von „Gelb und Rosa“ nach dem Kinderbuch von William Steig so lustvoll wie poetisch.

Zwei Figuren erwachen auf der quadratischen Wiese aus grauem Kunstrasen, das Publikum zu zwei Seiten im Fundus Theater platziert. Ihr Staunen wird von einer schwarz-weißen Kuh und einem ebensolchen Vogel beobachtet. Dramaturgisch bringen sie zunächst eine Art Kommentarebene ins theatrale Spiel. Daraus entspinnt sich dann langsam ein philosophisches Quartett, gesprochen, gespielt, gesungen und gesteppt.

Während Gelb darauf besteht, sie seien aus Zufall entstanden, kontert Rosa mit Beispielen und Argumenten, die beweisen sollen, dass „ein Handwerker, eine Künstlerin vielleicht“ sie beide nach einem Plan geschaffen hat. Wie anders ist die Präzision zu erklären?

Lustig werden die Dialoge besonders dann, wenn es um den Zufall geht. Wenn Hagelkörner auf immer die gleiche Stelle im Gesicht treffen, um Augen zu formen. Oder wenn gelbe Farbe, von der Sonne ausgespuckt, den Hang hinunterläuft, den wiederum die Figur hinabrollt.

Das mag für eine einfache Entscheidung zugunsten des Plans reichen. Zufall oder Plan ‒ wie schwierig das zu entscheiden ist, wird beim Fußball-Zufall deutlich, den das Quartett auf der Bühne diskutiert.

Von trockenen Diskussionen ist die Inszenierung jedoch weit entfernt. Madeleine Lauw, Eva Pauline Loska, Johannes Nehlsen und Florian Weigel singen Standpunkte, steppen Argumente, immer mit einer bezaubernden Leichtigkeit. Für ihren Quartett-Gesang bekommen sie Szenen-Applaus.

Loskas Rosa und Nehlsens Gelb bleiben präzise, trotz „dickem“ Kostümkörper, Rosa rund, Gelb eckig. Überaus präzise auch Weigels Kuh und Lauws Vogel, bis zum mahlenden Kiefer und dem Rucken des Kopfes. Präsenz und Zusammenspiel über den gesamten Raum hinweg, einschließlich Publikumsbefragung, funktionieren sehr gut.

Ausstatterin Iris Holsteins Priorität scheinen in dieser Inszenierung die wunderbaren Kostüme zu sein. Es sind wenige Details, aber kräftig „gezeichnet“, die etwa das „Krähenhuhn“ mit zwei Flügeln und einem gemalten Schnabel kenntlich machen.

Daniel Huss‘ Musik aus dem Off, viel Klavier, Bass, Gitarre und Schlagzeug, schafft die passende Stimmung, mal instrumental, mal als Liedbegleitung.

Erstaunlicher Höhepunkt, nachdem sich Gelb und Rosa endgültig voneinander abzukehren scheinen, ist das melancholische Kuh-Lied, in „Traum-Lichtstimmung“ von Sönke Herm. Man lacht darüber, weil der weise Rat „muh“ lautet. Die Spannung zwischen der Melancholie der Musik und dem Spaß des Textes bleibt jedoch so gut gehalten, dass die anrührend sehnsüchtige Kuh nicht verlacht werden kann. Das ist nicht zuletzt auch dem Spiel von Florian Weigel zu verdanken.

Und der Streit von Rosa und Gelb bleibt spielerisch, wie erzürnt sie auch sind. Das ist nicht nur kindgemäß, sondern ebenso angenehm für das erwachsene Publikum, das ohne moralischen Druck frei zwischen den Positionen hin und her denken darf. Regisseurin Julia Hart und Kinderphilosophin Yasmin Calvert haben ein stimmiges Spiel um die existenzielle Frage geschaffen, woher wir kommen. Dialog- und Songtexte sind überzeugend, egal ob komisch oder ernst.

Das Ende ist versöhnlich und weise. Gelb und Rosa wenden sich einander wieder zu. „Manche Fragen kann man einfach nicht beantworten.“

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