Text: Christian Hanke | Foto: Ernst Deutsch Theater
Schauspieler Peter Franke schlendert auf die Bühne des Ernst Deutsch Theaters, begrüßt den Souffleur in seinem Kasten, kündigt an, was folgen wird: „Geliebter Lügner“, ein Briefwechsel zwischen George Bernard Shaw und seiner langjährigen Freundin Stella Patrick Campbell. Die verkörpert Thekla Carola Wied, die kurz darauf eilig, weil zu spät wie immer, wie Peter Franke ärgerlich bemerkt, die Bühne betritt und sich an ein Tischchen auf der einen Seite setzt. Peter Franke, nun in der Rolle des irischen Schriftstellers und Dramatikers George Bernard Shaw (1856-1950), nimmt vor einem Schreibtisch mit Schreibmaschine und Telefon auf der anderen Seite Platz. Zwei große Fotografien der beiden Briefeschreiber vor den Schauspielern platziert, verdeutlichen den Rollenwechsel.
Shaw und die Schauspielerin Campbell (1865-1940) lesen Briefe, die sich beide zwischen 1899 und 1939 schrieben; Briefe voller Anerkennung, Zärtlichkeit, Liebe, dann auch voller Ärger, Wut, Verzweiflung, Eifersucht – einer der berühmtesten Briefwechsel der Weltliteratur, viel und gern gespielt. Wied und Franke gestalten ihn in der Regie von Wolf-Dietrich Sprenger höchst lebendig, begegnen sich immer wieder in der Mitte der Bühne, bei der Entstehung von Shaws berühmtem Stück „Pygmalion“ zum Beispiel, dessen weibliche Hauptrolle, das Blumenmädchen Eliza Doolittle, der Autor für Stella Patrick Campbell schrieb. Oder bei der Arbeit an der Komödie „Der Kaiser von Amerika“, in der Shaw seine Beziehung zu Campbell karikierte.
Dank der beiden großartigen Schauspieler wird auch die soundsovielte Neuauflage des Briefwechselklassikers zum Genuss. Peter Franke versprüht den koboldhaften Charme und die Gewitztheit der irischen Dichterikone ebenso wie dessen raubeinig-bitteren Zynismus. Thekla Carola Wied passt wunderbar zu der intelligenten, kapriziös-unberechenbaren Schauspielerin, die aus ihren Gefühlen für den großen Dichter keinen Hehl macht.