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Gift. Eine Ehegeschichte

Ernst Deutsch Theater
Gift. Eine Ehegeschichte

Ein ungleiches Paar: Nina Petri und Nicki von Tempelhoff

Text: Sören Ingwersen | Foto: Oliver Fantitsch

Auf Friedhöfen regnet es immer. Nicht nur im Hollywood-Kino. Auch die Frau in Lot Vekemansʼ Zwei-Personen-Drama „Gift. Eine Ehegeschichte“ kommt tropfnass auf die Bühne. Unter ihrem Regencape trägt sie ein Weinrotes Kleid. Ihre Gummistiefel tauscht sie gegen High Heels. Schließlich trifft sie hier im Wartesaal des Friedhofs einen Mann. Ihren Ex, der sie verlassen hat, nachdem der gemeinsame Sohn bei einem Autounfall ums Leben kam. Nun soll das Grab verlegt werden, da Gift im Boden gefunden wurde. So hat sie es ihm in einem Brief geschrieben. Ein Vorwand, wie sich bald herausstellt, um nach neunjährigem Stillschweigen ein Treffen zu arrangieren.

Im Ernst Deutsch Theater spielen Nina Petri und Nicki von Tempelhoff ein ungleiches Paar, das keines mehr ist, weil der Schmerz über den verlorenen Sohn keinen Platz mehr für die Liebe ließ. Sie trauert noch immer, kann sich nicht abfinden mit dem Verlust. Er hat irgendwann „einen Strich gezogen“, wie er sagt, hat vor zwei Jahren wieder geheiratet. Seine Frau erwartet ein Kind. Eine Neuigkeit, die sie verletzt. Sie macht ihm Vorwürfe, hat sich vielleicht Hoffnung gemacht, ihm wieder näher zu kommen. Er will die Vergangenheit hinter sich lassen, kann nicht begreifen, dass sie sich in ihrem Leiden so gehen lässt.

Wolfgang Stockmann und Ausstatter Peter Schmidt verorten das Spiel in einem kargen Bühnenraum, in dem die Innenwelt des Warteraums und die Außenwelt des Friedhof miteinander verschmelzen: Neben dem Gerippe eines angedeuteten Pavillons stehen links und rechts zwei kurze Bänke, auf denen das Paar – nicht nur räumlich – wieder zusammenrückt. Es ist nicht nur Verzweiflung, sondern auch ein Funken Hoffnung, den das engagierte, glaubwürdige und berührende Spiel von Petri und Tempelhoff entzündet. Hoffnung, dass das gemeinsame Erinnern, das Miteinanderreden helfen könnte, den Schmerz erträglicher zu machen. Am Ende scheint der Regen nachzulassen. Dafür prasselt den Darstellern kräftiger Applaus entgegen.

Aufführungen bis 15. Februar, jeweils 19.30 Uhr (So. 19 Uhr), Ernst Deutsch Theater

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