Kritik / Tanz & Performance

Gummiknibbeldinger im Backstagebereich

PeterLicht, Kampnagel
PeterLicht

Vielschichtig: der Autor und Musiker PeterLicht

PeterLicht scheint um sein Bühnenprogramm ein ähnliches Geheimnis zu machen wie um seine Person. Kampnagel kündigte seine Veranstaltung lieber gleich als Performance an. Passt zur Not immer. Und ist es nicht auch eine Performance, dass sich der Kölner Indie-Pop-Musiker jeder Kamera verweigert und in den Medien gesichtslos bleibt? Mal sieht man ihn von hinten, mal ragen Gegenstände ins Bild, die wie zufällig das Gesicht verdecken, oder es wird einfach retuschiert. Als er 2007 beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb mit dem 3sat-Preis und dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde, filmten die Kameras ihn nur von hinten. Das macht neugierig.

Neben Neugier ist es wohl der Hang zu verschrobenem Witz und eingängiger Melodie, der rund 600 Besucher in die Kampnagel-Halle lockt, in der man sich fühlt wie in einer Sardinenbüchse. Um die Unzulänglichkeit von Konsumbehältnissen geht es auch im ersten Text, den der Musiker wie ein Pamphlet vom Blatt abliest, indem er uns technisch detailliert erklärt, wie man überschüssigen Zahnpasta-Output wieder in die Tube zurück bekommt: mittels Unterdruck.

Schade, dass auch PeterLichts Gesangsstimme mit Unterdruck zu kämpfen hat. Gegen das Instrumentarium seiner vier Mitmusiker – der Sound ließ ohnehin zu wünschen übrig – zog sie manches Mal den Kürzeren. Dabei sind Textzeilen wie „Begrab‘ mein iPhone an der Biegung des Flusses, da wo in der Mitte der Gesellschaft eine Kausalkette entspringt“ doch eine lustvolle Herausforderung für jeden, der zum ergebnislosen Nachdenken angeregt werden möchte.

Bei PeterLicht werden eine Hamsterfütterung, das Waschen einer Jeans oder merkwürdige „Gummiknibbeldinger im Backstagebereich“ zu pseudo-philosophischen Ereignissen. „Schwachsinn“ raunt eine Konzertbesucherin. „Genial“ antwortet ihr Begleiter. Tatsächlich gelingt es PeterLicht, sich immer verdächtig nah an beiden dieser scheinbar entgegengesetzten Pole aufzuhalten. Etwa, wenn der Pop-Poet mit dem schütteren Haar und der Woody-Allen-Brille resümiert: „Gesellschaft ist toll, wenn nur all‘ die Leute nicht wären.“ Der mit fluffig-melancholischen Gitarren und synthetischem Klang-Allerlei aufbereitete Dadaismus erinnert ein wenig an den Mut zur gepflegten Irritation eines Holger Hillers oder Andreas Doraus zurzeit der Neuen Deutschen Welle.

Dennoch ist PeterLicht ein Unikum in der deutschen Musik-Landschaft und hat mit seinem kürzlich erschienenen Album „Das Ende der Beschwerde“ einmal mehr bewiesen, dass Pop auch jenseits des Mainstreams möglich ist. Als Zugabe ertönt sein Radio-Hit aus dem Jahr 2001: „Sonnendeck“ – stimmlich leider recht schwach. Beim „Lied vom Ende des Kapitalismus“ versagt auch noch die E-Gitarre. Alle Musiker ziehen spontan die Stecker, spielen lautlos und PeterLicht singt unbegleitet. Jetzt versteht man ihn. Panne oder Performance? Wahrscheinlich beides.

Text: Sören Ingwersen
Foto: Christian Knieps

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*