Sophie (Kristin Suckow) trotzt dem Krebs in der Disco
Text: Christian Hanke | Foto: Oliver Fantitsch
Silvester, Partystimmung, alles tanzt. Auch Sophie ist gut drauf. Nur hustet sie ständig. Nicht so schlimm, denkt sich die 21-Jährige. Aber es ist schlimm: Krebs mit geringer Überlebenschance. Sophie ist geschockt, aber die Diagnose wirft sie nicht um. Sophie will wieder tanzen.
Mit Lebenslust gegen Krebs. So versuchte die junge Holländerin Sophie van der Stap die tödliche Krankheit zu besiegen und gewann. Sie schrieb ein Buch darüber, das verfilmt wurde. John van Düffel, 2000 bis 2009 Dramaturg am Thalia Theater, hat ein Theaterstück daraus gemacht, das kürzlich am Ernst Deutsch Theater uraufgeführt wurde: „Heute bin ich blond“. Denn Sophie ist mal blond, mal schwarz, mal rot. Nach der Chemotherapie versorgt sie sich mit Perücken und wechselt mit den neuen Haaren die Identitäten, zeigt sich dem verblüfften Freund Martin als blonde verführerische Daisy und gleich darauf als selbstbewusste rothaarige Sue. Dann als Stella, Platina und Zoe mit immer anderer Frisur. Über die verschiedenen Rollen gewinnt Sophie neuen Lebensmut. Die Perücken werden zu Mutmachern. Sophie tanzt wieder. Am Ende schafft sie das Wunder.
Wolf-Dietrich Sprenger setzt in seiner Inszenierung der ernüchternden Krankenhausatmosphäre mit einem stets reduziert-sachlichen Arzt (glänzend: Oliver Warsitz) und sezierend beobachtenden Medizinstudenten die pralle Lebenslust mit Party- und Discogetümmel entgegen. Kristin Suckow spielt Sophie überzeugend und nachvollziehbar als jungen Menschen, der sich mit der Diagnose Krebs nicht abfinden kann, der trotzig wie bisher weitermachen und sich mehr denn je ins Leben stürzen will. Alle Höhen und Tiefen dieser Krebs-Lebenslust-Achterbahn lotet Suckow spielend aus und bildet mit Hannah Sieh als eifrig, aber oft erfolglos um Sophies Wohl bemühte Freundin Annabel ein starkes Duo. Annabel und Martin (schwächlich-schwankend: Felix Lohrengel), in den sich Sophie kurz vor der Krebsdiagnose verliebt hat, stehen für die Hilflosigkeit der jungen Gesunden im Umgang mit Krebs, denn für sie ist diese Krankheit sehr weit weg. Wunderbar die Szene, als Annabel ein ganzes Arsenal von Bioprodukten auf Sophies Krankenbett ausbreitet, ohne zu ahnen, dass der Freundin schon beim Anblick von Essen schlecht wird. Im Ensemble überzeugen auch Jessica Kosmalla als Sophies Mitpatientin, die den Krebs nicht überlebt, und Pascal Pawlowski in der Rolle des singenden Pflegers Bastian, der etwas Lebenslust auch im Krankenhaus aufkommen lässt.
Vorstellungen bis 8.11. (außer 30.10. bis 4.11.), Ernst Deutsch Theater