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Heute: Genoveva!

Ambrella Figurentheater im Fundus Theater
Heute Genoveva

Kopfloser Pfarrer: Puppenspielerin Heike Klockmeier mit Marionette Waldemar

Text: Sören Ingwersen | Foto: Ambrella Figurentheater

Der Artist hängt mal mit den Händen, mal mit den Kniekehlen oder Füßen am Trapez und macht trotz beängstigend hoher Schwünge eine gute Figur. Das Besondere daran: Er ist auch eine. Eine Figur, die wie das Turngerät von Heike Klockmeier an Fäden geführt wird. Seit zwanzig Jahren bildet die Puppenspielerin gemeinsam mit Ehemann Jürgen Maaßen das Ambrella Figurentheater, und zum Jubiläum im Fundus Theater gibt es noch einmal jenes Stück zu sehen, mit dem damals alles angefangen hat: „Heute: Genoveva!“.

Darin erinnert Klockmeier, während Puppenbauer Maaßen für Licht und Musikeinspielungen sorgt, an die Blütezeit der fahrenden Marionettenbühnen im 19. Jahrhundert, als über 200 mobile Theater in Sachsen unterwegs waren, um in Wirtshäusern teils immens aufwändige Vorstellungen zu geben. Das historische Vorbild ist in der hölzernen Guckkastenbühne, auf der Klockmeier ihre Marionetten, Finger-, Hand- und Stabpuppen auftreten lässt, unverkennbar.

Da sinniert ein 111 Zentimeter großer Pfarrer an Fäden über die Seele der Marionette und muss sich von dem sehr viel kleineren Kaspar eine respektlose Begrüßung gefallen lassen („Na, der brennt lange!“). Da jongliert ein Mitglied aus der Familie der Trickmarionetten, die in Sachsen als „Fantoschen“ bekannt waren und von denen Heinrich von Kleist sich zu seinem berühmten Aufsatz „Über das Marionettentheater“ hat inspirieren lassen, mit goldenen Kugeln, die zielsicher auf Fuß- und Nasenspitze landen. Und natürlich fehlt auch der Handpuppenkaspar nicht, der hier in die Rolle des Prinzen Hamlet schlüpft, während Gretel ihm zunächst als Pferd assistiert, um ihm kurz darauf als König von Dänemark mit dem Küchenmesser den Garaus zu machen.

Urkomisch ist Klockmeiers Spiel, die im fliegenden Wechsel mit ihren Figuren agiert und interagiert, nicht nur in dieser „gekürzten und wesentlich verbesserten“ Version des Shakespeare-Klassikers. Selbst in Sachsen aufgewachsen, würzt die Wahlhamburgerin ihre witzigen Dialoge mit lokalem Zungenschlag, gibt anschaulichen Nachhilfeunterricht zur Stimmenmanipulation mittels Höhenverstellung des Kehlkopfes und Kostproben einer spezifisch „sächsischen Theatersprache“ – als missglückte Anbiederung ans Hochdeutsche.

Viel zu schnell vorbei ist diese eine, höchst illustre und inspirierte Geschichtsstunde im Geiste einer Theaterform, die heute leider nur noch von sehr wenigen gepflegt wird. Sie habe ans Aufhören gedacht, lässt Heike Klockmeier nach der Aufführung verlauten. Sich dann aber entschieden, doch weiter zu machen. Ohne diesen Nachsatz hätte das anschließende Jubiläumsbüffet wohl nur halb so gut geschmeckt.

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