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Die Götter des Vinyls

„High Fidelity“, Altonaer Theater
High Fidelity

Robs Retro-Clique steht auf Vinyl.

Tosenden Applaus und begeisterte Pfiffe erntete die Truppe am Altonaer Theater für ihre energiegeladene Premiere von „High Fidelity“. Das Musical (Musik: Tom Kitt) nach dem gleichnamigen Kult-Roman von Nick Hornby sorgte in der Regie von Franz-Joseph Dieken und unter der musikalischen Leitung von Matthias Kloppe für zwei Stunden beste Unterhaltung. Jeder Ton, jeder Schritt, jede Pointe der in die Jahre gekommenen, komischen Vinylgläubigen saß.

Siegmar Tonk schien die Rolle des Rob auf den Leib geschrieben. Leidenschaftlicher und allwissender Rockmusikfan mit Plattenladen – dem letzten auf der Welt, „Vinyl, Baby!“ –, Bierbäuchlein, immer locker, aber getrieben und ohne Plan, wird von Laura verlassen. Macht ja nix, scheint’s, sie kommt eh nicht in die Top Five. Stimmt aber natürlich nicht, wussten wir schon. „It’s a man’s world, but it’s nothing without a woman.“ Die Angebetete und Widerpart, Katharina Vogels Laura, überzeugt als Brave – „ich hab meinen Kulturbeutel vergessen“ – wie zur Trennung Entschlossene, deren eigenes Hin- und Hergerissensein nur durchschimmert. Dass der wurschtige Rob allein schuld ist, stimmt natürlich auch nicht. Wär auch sonst langweilig.

In Robs Plattenladen „Championship Vinyl“ treffen sich neben den Freunden Barry (Holger Dexne) und Dick (Ben Knop) Punks, notorische Weltverbesserer, Beatniks und manch Verirrte, die eine CD mit Schnulzen kaufen wollen. Das Ladenschild ist ein Plattencover-Zitat von „Never Mind the Bullocks – Here’s the Sex Pistols“. An der Rückwand (Ausstattung: Jörg Kiefel) hängen die einschlägigen Plattencover von den Beatles, Stones und Cream über ACDC bis zu Nirvana. CD geht gar nicht, Schnulzen auch nicht. Deshalb schlägt Großmaul Barry (Holger Dexne) bei solchen Anlässen sofort Alarm, auch wenn er dabei dem schüchternen Dick schon mal in die Parade fährt. Der Kunde ist hier nicht König oder Königin, sondern gehört zum Club oder muss leider gehen. Achja, klaro wollten alle drei schon immer mit einer Band berühmt werden und verschenken gern Mixtapes an Geliebte.

Die Geschichte um die so leidenschaftlichen, die „richtige“ Musik liebenden, wie hoffnungslos beziehungsunfähig scheinenden Männer und ihre weiblichen Pendants ist rasant inszeniert. Über letztere erfährt man nicht gar so viel, aber das liegt am Stoff, ist nun mal ’ne Jungsgeschichte. Die Mädelsvariante wär dann eine andere Geschichte. Und außerdem geht es um Pop – Verzeihung: Rockmusik, Grunge, Alternative, Punk und Co. und natürlich um Sex und Liebe oder umgekehrt.

Schnell verwandelt sich der Plattenladen zur Showbühne. Wenn die Crew – Sarah Matberg mit Power-Organ als Busenfreundin Liz, Tobias Kilian als DAMADGW, Florence Matousek als Marie LaSalle, Alice Wittmer als Anna, Nico Stank als Punk mit starker erotischer Ausstrahlung und Janina Stiem als Beatnik – tanzt und singt, rocken sie nicht nur das Haus, sondern kommentieren die Liebesverwirrungen mit Witz und Ironie. Dass die deutschen Texte bei einigen Gesangsnummern im ersten Drittel immer dann, wenn sie die Story weitertreiben sollen, etwas holprig sind, liegt nicht am Team des Altonaer Theaters.

Wunderbar eckig kommt Tobias Kilian in seiner Doppelrolle als selbstverliebter, arroganter Therapeut Ian und verknöcherter DAMDAGW daher. Die fantasierten Duellszenen zwischen Rob und Ian gehören zu den Höhepunkten dieser Musical-Inszenierung.

Text: Angela Dietz
Foto: Joachim Hitmann

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