Apropos ... / Kolumne

Kurr knurrt

Intensiver Pflegemangel

„Tja, das Theater macht ja auch gar keine Reklame“, tönte besserwisserisch eine Dame im Foyer des Hamburger Theaters N.N., als sie dortselbst zu wenige Zuschauer zu entdecken meinte. Wenn sie wüsste, wie die kleinen, experimentierfreudigen Theater in der Hansestadt zu kämpfen haben! Zwar sind deren Direktoren seit Amtsantritt der „neuen“ Kultursenatorin offenkundig etwas ruhiger geworden, fühlen sich endlich ernst genug genommen und einige sogar, wenn auch knapp, aber dennoch, vorläufig, ausreichend unterstützt. Aber nicht jeder Intendant stellt es so geschickt an, wie Dieter Seidel, der jenes N.N. (Nullum nomen, also „Theater ohne Namen“) leitet und aufgrund seiner langjährigen Erfahrung und der Vorverkaufszahlen seine abendlichen Besucherzahlen schätzen gelernt hat und den variablen Zuschauerraum so bestuhlen lässt, dass sein Haus stets gut besucht erscheint. Aber auch er hat – wie „Sprechwerk“, „Monsun“ und viele andere – zu knapsen, um den Spielbetrieb nahtlos aufrechtzuerhalten.

Noch schlimmer dran sind freie Gruppen, die Theater wie die zwei oben genannten als Gastspielhäuser nutzen und zumeist nicht über die ersten vier Vorstellungen hinauskommen: nicht etwa wegen beklagenswert miserabler Qualität ihrer Produktionen, sondern eben wegen ihrer eingeschränkten Werbemöglichkeiten. Sie blicken an ihrem fünften (leider bereits wieder spielfreien) Tag neidvoll auf die Din-A-O-Plakate des Schauspielhauses oder des Thalia Theaters auf Hamburgs Werbeflächen und Litfasssäulen. Selbst ein so gut ausabonniertes Haus wie das Ernst Deutsch Theater findet bei der Werbung seine wirtschaftlichen Grenzen.

Zurück zu jener besserwisserischen Dame, deren Begleiterin – sehr zur Freude des unfreiwillig lauschenden, knurrenden Kurrs – ihr eine sehr einleuchtende Abfuhr erteilte: „Würden die Hamburger Lokalzeitungen auf ihren Kultur- und Lokalseiten die Privattheater und freien Gruppen ähnlich intensiv pflegen wie dies zum Beispiel in Europas Kulturhauptstadt Paris geschieht, müsste niemand über Besuchermangel klagen. Aber bis auf wenige Ausnahmen werden diese experimentierfreudigen und für die Kulturszene der Hansestadt wichtigen Häuser und Gruppen bzw. deren Programme in den örtlichen Gazetten gar nicht zur Kenntnis genommen, daher auch nicht ausreichend publiziert.“

Kurr knurrt still in sich hinein: deswegen gibt es ja GODOT … Und wir wachsen noch!

Text: Hans-Peter Kurr

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