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Iphigenie

Ernst Deutsch Theater
Iphigenie

Klytämnestra (Daniela Ziegler) in den Händen ihres Mannes Agamemnon (Valentini Rocamora i Torà)

Text: Christan Hanke | Foto: Marcus Renner

Die Frauen hat Regisseur Torsten Fischer in den Mittelpunkt seiner Inszenierung „Iphigenie – Träumst du, Mutter?“ nach Bearbeitungen des antiken Stoffs von Goethe, Aischylos, Euripides und von Hofmannsthal gestellt. Frauen, die geopfert oder ermordet wurden, und denen nur die Sprache blieb, um sich gegen die stets gewaltbereiten Männer zu verteidigen. Nur Frauen sprechen in seiner Inszenierung, in der selbst Orest von einer Frau gespielt wird und der einzige Mann, der Tänzer Valentini Rocamora i Torà, als Agamemnon und Thoas stumm bleibt.

Ein ambitioniertes Vorhaben, das in Kurzform die grausame Geschichte des Geschlechts der Tantaliden erzählt: die Opferung Iphigenies durch den Vater Agamemnon, die Ermordung Agamemnons nach dessen Rückkehr aus Troja durch Gattin Klytämnestra und deren Liebhaber Ägisth sowie deren Tod durch Klytämnestras Sohn Orest – erzählt aus Sicht der Frauen – um dann im zweiten Teil als Gegenentwurf zu dieser Blutorgie in einem Extrakt aus Goethes „Iphigenie auf Tauris“ die Möglichkeit des Vergebens und Verschonens aufzuzeigen.

Auf kahler Bühne sprechen exzellente Schauspielerinnen wie Daniela Ziegler (Klytämnestra) und Ulli Maier (Iphigenie) in schwarz gehüllt die herausragenden Texte. Mit Blut und nackten Brüsten will Regisseur Fischer das Animalische des Geschehens betonen. Warum Elektra nur barbusig auftritt, erschließt sich allerdings nicht. Und es fällt mitunter schwer, den Texten zu folgen: Da es sich um sehr aussagekräftige Passagen aus vier Stücken der Weltliteratur handelt, bewegt sich die gesamte Inszenierung dauerhaft auf einem Niveau zwischen Hochdramatik und Pathos. Dieser Extrakt starker Texte lässt keine Leichtigkeit, keine Entwicklung der Geschichten zu. Er verschafft keine Entspannung, Ent-Spannung im wahrsten Sinn des Wortes. Vielleicht hatte Daniela Ziegler deshalb einen Total-Blackout in der Premiere und konnte ihren Text über Minuten nur mit Hilfe des Souffleurs sprechen. Ihr großartiges Spiel rettete sie. Das Publikum honorierte es und zeigte Mitleid statt Häme.

Wie man die Sagenstoffe um Troja und die Orestie menschlich nachvollziehbar auf die Bühne bringen kann, hatte Karin Beier mit ihrer Inszenierung „Die Rasenden“ am Schauspielhaus vorgemacht. Dazu braucht es aber auch neun Stunden. Es gehört viel Wagemut dazu, mit einer Kurzform anzutreten. Da kann man leicht verlieren.

Aufführungen bis 29. Mai im Ernst Deutsch Theater

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