Interview: Dagmar Ellen Fischer / Foto: Tina Erösova
Seit 21 Jahren gibt es das Klabauter Theater in Hamburg. Ab nächster Spielzeit 2019/20 gehört es erstmals zu den von der Kulturbehörde Hamburg geförderten Privattheatern. Die zwölf Ensemble-Mitglieder mit unterschiedlichen Behinderungen arbeiten indes seit Jahren so wie jede andere professionelle Hamburger Theatergruppe auch.
Du leitest das Klabauter Theater seit 2015, deren Mitglieder verstehen sich seit jeher als Bühnenprofis. Wie sieht die tägliche Arbeit konkret aus?
Dorothee de Place: Da es keine Schauspielausbildung gibt, die unsere Spieler aufnehmen würde, haben wir unser Schauspiel- und Bewegungstraining selbst entwickelt, für Gesang, Rhythmus und Feldenkrais gibt es Gastdozenten. Die meisten Ensemblemitglieder arbeiten seit zehn oder zwanzig Jahren hauptberuflich als Schauspieler, fünf Stunden pro Tag. Ausgelernt hat hier niemand. Aber dieser Arbeitsethos, stets weiter zu lernen und in jeder Produktion an die eigenen Grenzen zu gehen, macht die Professionalität des Ensembles gerade aus.
Ob ein Theater als professionell anerkannt wird, hängt nicht nur an der künstlerischen Qualität der Arbeit …
Wichtig ist vor allem die Frage: Wird hier eine Öffentlichkeit generiert? Wird die Arbeit in der Presse wahrgenommen und vom Publikum gesehen? Das war lange Zeit nicht wirklich der Fall. Das Klabauter Theater war ein Geheimtipp, Journalisten schrieben ungern über diese Arbeit, weil es ihnen schwer fiel, einzuordnen, was sie sahen. Das hat sich in den letzten Jahren geändert.
50.000 Euro stehen nun für die nächste Spielzeit zur Verfügung, wofür wird das Geld verwendet?
Seit Jahren liegen alle künstlerischen, konzeptuellen, pädagogischen, organisatorischen und technischen Aufgaben auf den Schultern von zwei Personen. Das führt uns regelmäßig an den Rand des Zusammenbruchs. Wir möchten nun eine halbe Stelle für Organisation, Produktion und Öffentlichkeitsarbeit einrichten; außerdem einen zweiten Probenraum anmieten und die Honorarstelle Technik aufstocken, um mehr Gastspiele freier Gruppen im Klabauter Theater verwirklichen zu können.
Wie findest du geeignete Stücke, um alle Ensemblemitglieder zu integrieren?
Wir wählen unsere Themen und Stoffe, so wie andere Theater auch, nach Interesse und aktuellem Bezug. Oft schreiben wir eigene Textfassungen. Nicht immer ist zu Beginn der Proben klar, wie jede/r einzelne ins Stück passen wird. Es ist eine der Herausforderungen meiner Arbeit, die mir sehr gefällt, nicht nur starke Bilder zu entwickeln, sondern Bilder, in denen Menschen stark wirken.
Unter deiner Leitung gibt es deutlich mehr Premieren …
Meine Vorgängerin Astrid Eggers ist eine Legende der inklusiven Theaterarbeit in Hamburg: 1993 begründete sie die ersten integrativen Jugendprojekte am Thalia Treffpunkt und 1998 das Klabauter-Ensemble. Sie hat unglaublich für diese Arbeit gekämpft in einer Zeit, in der Inklusion noch nicht en vogue war. Heute wird Vielfalt geschätzt. Die Bildungsinstitutionen suchen nach Wegen, soziale und emotionale Intelligenz zu schulen, statt ausschließlich kognitive. Das eröffnet Spielräume für unsere Arbeit.
Für die nächste Premiere „Herr Kaiser“ kooperiert ihr mit dem Theater Brekkekekex, wieso jetzt ein Kindertheaterstück?
Vor dem Klabauter Theater habe ich in der freien Kindertheaterszene gearbeitet und die Arbeit von Brekkekekex kennengelernt; die sehr poetischen Texte von Frank Puchalla haben mich von Anfang an begeistert. Diese Zusammenarbeit ist also ein lang gehegter Wunsch. Zudem kam aus dem Klabauter-Ensemble die Anregung, ein Märchen ins Programm zu nehmen. Da für mich zur Professionalität auch eine größtmögliche Wandelbarkeit zählt, und ein junges Publikum die Akteure enorm herausfordert, freue ich mich, uns hier ein weiteres Genre zu erschließen.
Wie siehst du die Zukunft des Klabauter Theaters?
Wir haben 2015 entschieden, nicht länger ein besonderes Theater mit einem besonderen Ensemble und einem handverlesenen Publikum sein zu wollen, sondern ein stinknormales. Fernziel muss sein, dass unsere Schauspieler auf jeder Bühne Hamburgs spielen könnten. Ganz normal.