Kritik / Schauspiel

Lebendiges Maschinentheater

„Hamletmaschine“, MS Stubnitz
Hamletmaschine

Hamlet als Maschine auf der MS Stubnitz // Foto: Annette Staack

Endlich haben Theatermacher Heiner Müllers „Hamletmaschine“ einmal wörtlich genommen und den Text als Theatermaschine in Szene gesetzt. Auf der MS Stubnitz – dem schwimmenden „Kulturbotschafter der Hansestadt Rostock“, zur Zeit als Gastlieger im Hamburg Baakenhafen – fanden sie dafür den perfekten Aufführungsort. Passgenau hatte die große Berliner Künstlerschar unter der Federführung von Elias Macke den Aufbau aus stählernen Fachwerkverstrebungen zwischen Mast und Dachluke dem Dampfer aufs Oberdeck gesetzt.

Schwer atmet der große Brustkorb aus Schützrippen. Das Herz des Weltgewissens schlägt noch. Der Machthaber, dessen Gesicht sich durch eine Drehung verändern kann, plustert sich auf. Hamlet erscheint als Filmaufnahme auf dem Regenvorhang, der beständig aus den Streben der Fachwerkbrücke herniederprasselt. Er spricht voller Verachtung von dem Staatsbegräbnis seines Vaters. Noch auf dem Grab sah er den neuen König und seine eigene Mutter ihre Vereinigung in einem sexuellen Akt besiegeln. Hamlet hadert mit sich, welche Rolle ihm als intellektuellem Wächter nun zufällt. Soll er zu Gewalt greifen und seinen Vater rächen?

Eine gealterte Ophelia nimmt seinen Platz auf dem Regenvorhang ein. Sie weiß im Gegensatz zu Hamlet, dass sie nun vom Opfer zur Täterin wird. Sie will aufbegehren und nicht länger passiv verharren.

Ganz wie im Müller’schen Original kommt es in der dritten Szene zu einem Tanz. Doch hier wird er statt von Schauspielern von hydraulisch ferngesteuerten Puppen übernommen. Die erste ist unschwer als Ophelia zu erkennen, denn sie hat sich aus dem Wasserbassin mühsam in die Aufrechte hocharbeiten müssen. Eine weitere Figur besteht dagegen nur aus einem männlichen Unterkörper, die letzte aus einem weiblichen Oberkörper.

Hamlet wird klar, auch er muss handeln. Er ruft zu Aufbegehren gegen die Herrscher auf, in welcher Gestalt sie auch auftreten mögen. Auch die Mittel der Gewalt schließt er nicht mehr aus.

Der Bundesadler macht sich bemerkbar. Hoch oben über der Szenerie schüttelt er seinen Kopf und schlägt seine Flügel. In der letzten Szene liegt das atmende Herz in den letzten Zügen. Haben die Machthaber gesiegt, als ein letztes Fiepen seinen Tod meldet?

Eine technisch perfekte Performance wurde den bunt zusammengewürfelten Zuschauern an Bord der MS Stubnitz geboten. Der Text wurde bei all der Liebe zum technisch perfekten Detail keineswegs außer Acht gelassen. Noch intensiver wäre dieser Eindruck sicherlich gewesen, wenn die Schauspieler leibhaftig aufgetreten wären. So musste ihre Leistung hinter der der live arbeitenden Maschinen zurücktreten. – Ein außergewöhnliches Theatererlebnis, das das schwierige Werk von Müller auf neue Art erfahrbar machte.

Birgit Schmalmack

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